Für mehr Bildungschancen: Alumni engagieren sich
- 2024-12-17
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„Bildung ist der Pass in die Zukunft, denn das Morgen gehört denen, die sich heute darauf vorbereiten“, mit diesem Zitat des Bürgerrechtlers Malcom X beschloss Moderatorin Ngozi Edeagu die Konferenzdebatten. Auf der Konferenz „Innovative Bildung: Brücken bauen für eine bessere Zukunft“ des Alumniportals diskutierten Alumni und Bildungsexpert:innen im November zwei Tage lang in Vorträgen, Netzwerktreffen und Workshops über aktuelle Herausforderungen und innovative Ansätze. Das gemeinsame Ziel: inklusivere Bildung fördern.
Globale Unterschiede in Bildungssystemen und Affirmative Action
Die Voraussetzungen und Bildungssysteme unterscheiden sich stark von Land zu Land, wie die Keynote des indischen Aktivisten Raju Kendre eindrucksvoll zeigte. Dazu erörterte er die Gegebenheiten in den USA, Deutschland, Südafrika, Brasilien und Indien. In all diesen Ländern wird versucht, mit Affirmative Action Benachteiligungen in der Gesellschaft zu beseitigen. Affirmative Action bedeutet, dass mit gezielten Vorteilen für benachteiligte Gruppen deren Diskriminierung aufgehoben wird. Manche nennen das Modell auch eine positive Diskriminierung. Die Grundlage der Idee ist dabei die aus dem Zitat von Malcolm X: Überall ist Bildung der Reisepass in die Zukunft.
Raju Kendre forscht derzeit in Göttingen in Niedersachsen an der Georg-August-Universität. Er ist Stipendiat des Bundeskanzler-Stipendien-Programms für angehende Führungskräfte aus Indien. Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit in Deutschland ist ein Vergleich der Wissenschaftssysteme in Indien und Deutschland. Der 31-Jährige, der aus einem indischen Dorf stammt, ist Pädagoge, Sozialunternehmer und Aktivist. Er hat die Eklavya India Foundation gegründet, die jungen Menschen aus benachteiligten Gesellschaftsgruppen den Zugang zu höherer Bildung ermöglichen will.
Chancengleichheit durch staatliche Fördermaßnahmen
Kendre sprach über die Auswirkungen von staatlichen Fördermaßnahmen auf Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion. Er betrachtete dabei die Situation in verschiedenen Ländern: Etwa in den USA, wo die Hochschulbildung diverser werden soll. Oder in Deutschland, wo Einwanderer:innen und Geflüchtete in das Bildungssystem integriert werden sollen. Er berichtete außerdem über die Bildungssituation in Indien, wo das alte Kastensystem weiterhin zu Diskriminierung führt. Überall dort soll mit Affirmative Action die Diskriminierung durch das Gewähren von Vorteilen aufgehoben werden. Indien etwa hat das weltweit älteste Programm für Affirmative Action. Der Staat gewährt darin den am stärksten sozial benachteiligten Gruppen Sitze im Parlament, staatliche Arbeitsplätze und Studienplätze sowie Zugang zu höherer Schulbildung.
Herausforderungen und Visionen für inklusivere Bildung
Der Schwerpunkt von Kendres Keynote Speech lag auf der Frage, wie die staatlichen Bemühungen im Bildungswesen Chancengleichheit für alle schaffen können, unabhängig von der Herkunft. Dabei benannte er aber auch nach wie vor bestehende Ungerechtigkeiten. So werden in den USA lebende Inder:innen nach seiner Auffassung dort besser gefördert als in ihrem Heimatland selbst. Dabei könne seiner Meinung nach die verbreitete Armut in Indien durch eine hochwertige Bildung überbrückt werden. Kendre arbeitet dafür an der Vision einer neuen interdisziplinären Universität in Zentralindien, zu der insbesondere bisher marginalisierte gesellschaftliche Gruppen Zugang bekommen sollen. Kendres Philosophie von Bildung ist also von seiner Herkunft beeinflusst. Sein Karriereweg ist ein Beispiel für die Möglichkeiten, die durch qualitativ hochwertige Bildung entstehen. Dabei hob er auch die besondere Bedeutung der Eltern hervor – auch in wirtschaftlich benachteiligten Fällen könnten diese einen großen Anteil am akademischen Erfolg der Kinder haben.
Künstliche Intelligenz als Chance für die Bildungslandschaft
Die Konferenz befasste sich in einer anschließenden Podiumsdiskussion weiter mit der Frage, wie bestehende Ungerechtigkeiten in der Bildungslandschaft ausgeglichen werden können. Hier ging es aber nicht um Förderprogramme, sondern um die Chancen, die neue Technologien wie Künstliche Intelligenz mit sich bringen. Die aus Nigeria stammende Moderatorin Ngozi Edeagu ist selbst Bildungsexpertin und gehört zum Führungskreis der Organisation HundrED, die in der Bildungslandschaft nach Innovationen sucht und diese prüft. Edeagu verwies darauf, dass bei der kurz vor der Konferenz stattgefunden Preisverleihung der von HundrED ausgewählten Global Collection 2025 unter den 100 wirkungsvollsten Innovationen der Bildungslandschaft die Mehrheit einen Fokus auf Technologie und KI hatte.
Bildung als Privileg: Globale Perspektiven auf digitale Bildung
An dem Panel waren Virna Julisa López Castro aus Honduras, Diana Knodel aus Deutschland und Chinedu Isagbah aus Nigeria beteiligt. Alle drei befassen sich in ihren Heimatländern mit den Möglichkeiten digitaler Technologien in der Bildungsarbeit. Virna Julisa López Castro macht dies in verschiedenen Forschungsprojekten als Professorin an der Universität UNAH in Honduras. Diana Knodel hat dafür die Startup fobizz und App Camps gegründet, die KI und digitale Werkzeuge an Schulen bringen sollen. Chinedu Isagbah ist Gründer der Greater Nigeria Initiative, die mit verschiedenen Initiativen und Projekten Bildungsarbeit in Nigeria verbessern will.
Darüber hinaus ist er Bildungsexperte und Programmverantwortlicher der CAIN Educational Foundation. Die Stiftung unterstützt in Nigeria unterprivilegierte Kinder. In seinem Beitrag schilderte er existentielle Probleme in seinem Heimatland durch fehlenden Zugang zur Schule: 10,2 Millionen Kinder im Grundschulalter und weitere 8,1 Millionen Kinder im Sekundarschulalter sind nicht eingeschult. Er sieht darin eine existenzielle Bedrohung für den Fortschritt und die Stabilität Nigerias. Er berichtete, wie er versucht, das Problem mit einem gemeindegeführten Ansatz zu lösen. Bürgermeister oder Ortsvorsteher, religiöse Führer und Eltern werden daran beteiligt, Hindernisse für das Lernen von Schülerinnen und Schülern zu beseitigen. Dabei geht es etwa darum, dass insbesondere im ländlichen Raum Kinder überhaupt der Zugang zur Schule ermöglicht und auch von den Eltern erlaubt wird. In einem multiethnischen und mehrsprachigen Land wie Nigeria ist Bildungsarbeit oft schwierig. Für Fortschritte habe er hier einigen Menschen auf die Füße treten müssen.
Digitale Bildung in Deutschland: Fehlende IT-Kompetenzen an Schulen
Ganz andere Probleme in der Diskussionsrunde beschrieb Diana Knodel für das Bildungssystem in Deutschland. Mit ihrem Unternehmen App Camps verfolgt sie das Ziel, IT-Fähigkeiten in die Schule zu bringen. Knodel veranstaltet Online-Schulungen für Lehrerinnen und Lehrer. Sie möchte Programmieren und Informatik stärker in deutsche Schulen bringen. In Deutschland arbeiten nach wie vor wenige Frauen in der Technologiebranche. „Deutschland ist zwar ein Land der Ingenieure, hinkt aber bei der Technologie im Bildungssystem hinterher“, sagte die Unternehmerin. So habe auch in einem hoch entwickelten Land wie Deutschland längst nicht jedes Kind Zugang zu einem Computer. Sie versucht, die Digitalisierung der Klassenzimmer voranzubringen. Es sei zunächst wichtig, bei den Lehrerinnen und Lehrern anzufangen; zum Beispiel mit Fortbildungen.
Ungleichheit der Geschlechter: Bildungsbarrieren für Mädchen in Honduras
Wie groß die Unterschiede zwischen Ländern und Kontinenten bei den Problemen in der Bildungsarbeit sind, zeigte als dritte Teilnehmerin des Panels auch Virna Julisa López Castro. Die Professorin an der Nationalen Universität von Honduras beschrieb, wie in ihrem Heimatland Männer bei der Bildung gegenüber Frauen bevorzugt werden. Zwar dürfen Mädchen die Grundschule besuchen, die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Schulbildung abbrechen und arbeiten müssen, ist aber deutlich größer als bei den Jungen. Diese Ungleichbehandlung ziehe sich durch die gesamte Bildungslaufbahn in Honduras. „Eine Frau zu sein ist der Faktor, der den Zugang zur Hochschulbildung in Honduras am meisten einschränkt“, sagte López Castro. Es gehe also nicht zuerst ums Talent, sondern ums Geschlecht.
Kritisches Denken im Zeitalter der KI fördern
Die drei Panelist:innen diskutierten den Zugang zur Bildung also auf Grundlage sehr unterschiedlicher Voraussetzungen in ihren Ländern. Während in Nigeria grundlegend um den Zutritt von Kindern zum Schulsystem gekämpft werden muss, ist in Honduras die Diskriminierung von Mädchen ein zentrales Problem und in Deutschland die ungleiche technische Ausstattung. Trotz der starken Unterschiede setzten sich alle drei Diskussionsteilnehmenden mit der Frage auseinander, ob womöglich Computertechnologie oder KI eine Wunderwaffe werden könnten – oder ob im Gegenteil neue Probleme entstünden, wenn man sich zu sehr darauf verlasse. Diana Knodel forderte, im Zeitalter der KI weiterhin auch kritisches Denken zu lehren. Die Lernenden – also meist Schülerinnen und Schüler – müssten Informationen stärker als jemals zuvor hinterfragen. Dem stimmte López Castro aus Honduras uneingeschränkt zu. Sie fordere ihre Schülerinnen und Schüler auf, alles zu hinterfragen. Für die Situation in Nigeria schränkte Isagbah ein, dass der Einsatz von KI in Nigeria oft noch gar kein Thema ist, da die digitale Alphabetisierungsrate im Land weniger als 50 Prozent betrage. KI könne aber auch ein nützlicher Lernbegleiter sein.
Digitale Tools und globale Bildungsinitiativen für eine bessere Zukunft
Neben der inspirierenden Keynote und der Podiumsdiskussion bot der Workshop "Inclusive and Digital Education Solutions" in Kooperation mit dem isa Alumni Netzwerk am zweiten Konferenztag eine Plattform, um praktische Ansätze zur Förderung inklusiver Bildung zu entwickeln. In mehreren Arbeitsgruppen diskutierten die teilnehmenden Expert:innen aus verschiedenen Ländern zentrale Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze mit Hilfe digitaler Technologien.
So wurden beispielsweise der Mangel an digitaler Infrastruktur und die hohen Kosten in vielen Regionen angesprochen. Die Teilnehmenden schlugen vor, Investitionen in digitale Klassenzimmer und Offline-Lernplattformen durch öffentliche und private Partnerschaften zu fördern. Besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit, Lehrkräfte umfassend zu schulen und digitale Kompetenzen in die Lehrpläne zu integrieren. Zum Beispiel in der Arbeitsgruppe „Opportunities and challenges in integrating digital tools in environmental education”, die Mmachukwu Obimdiki leitete. Dort spielten grundlegende Probleme in afrikanischen Staaten eine Rolle. Obimdike studiert derzeit an der Universität Greifswald. Sie stammt aber aus Nigeria und sieht dort genau wie in anderen Ländern Afrikas schwierige Voraussetzungen für eine Digitalisierung. Wie sollen Fortschritte mit Hilfe von Technologie in ländlichen Gegenden gelingen, wenn es keinen Strom oder Internet zum Betrieb der Geräte gebe, fragte Obimdiki. Sie hält einen finanziellen Kraftakt für nötig, um hier Fortschritte zu erreichen: Es müsse dringend in Hardware und Software investiert werden. So wie bei der Klimakonferenz in Baku eine Unterstützung der Entwicklungsländer beim Klimaschutz beschlossen wurde, müsse auch eine Unterstützung bei der Digitalisierung geleistet werden.
Die Konferenz zeigte eindrucksvoll, wie Alumni als Bildungsexpert:innen weltweit innovative Ansätze entwickeln, um Bildungschancen zu verbessern und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Von inspirierenden Vorträgen bis hin zu praxisorientierten Workshops wurde deutlich, dass globale Zusammenarbeit und der gezielte Einsatz digitaler Werkzeuge Schlüssel für inklusive Bildung sind.
Das Alumniportal Deutschland und das isa Alumni Netzwerk haben mit dieser Veranstaltung einen wertvollen Raum für den Austausch von Ideen geschaffen. Die Ergebnisse der Konferenz geben nicht nur Impulse für mögliche Bildungsinitiativen, sondern senden auch ein starkes Signal: Bildung ist der Wegbereiter für eine gerechtere und nachhaltigere Welt - und jeder von uns kann dazu beitragen, Brücken zu bauen. Hier können Sie die (auf Englisch).