„Das Geheimnis Europas ist die Vielfalt“
- 2023-11-28
- Christina Iglhaut
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„Ich bin erst seit fünf Minuten hier und habe schon jemanden kennengelernt, der zufällig in der gleichen Firma wie ich arbeitet. Wir stecken schon mitten in einem sehr interessanten Gespräch über Cybersecurity“, erzählt DAAD-Alumnus Michael Benske. Er steht an einem Hochtisch in einem lichtdurchfluteten Saal im Konferenzzentrum „Maison de la Chimie“. Hier, im Herzen von Paris, fand das Neunte Fachtreffen für deutsche DAAD-Alumni der Rechtswissenschaften statt. Zwischen dem Hôtel des Invalides und der Assemblée nationale wehten für ein Wochenende die Fahnen des . Dass die Alumnae und Alumni zum 20. Jubiläum des Fachtreffens ausgerechnet in Paris zusammenkamen, hat einen besonderen Grund: Vor 60 Jahren besiegelten Deutschland und Frankreich ihre Verbundenheit und Freundschaft mit dem Élysée-Vertrag. Genauso lange gibt es bereits auch die .
Unter dem Motto „Same same but different? Europa als Wertegemeinschaft – stark genug, um zusammenzuhalten?“ tauschen sich die rund 120 DAAD-Alumnae und -Alumni mit hochkarätigen Gästen zu den wichtigsten Themen und Herausforderungen Europas aus. In den Impulsvorträgen und Podiumsdiskussionen geht es unter anderem um die Rechtsprechung europäischer Gerichte in Zeiten des zunehmenden Nationalismus, um die europäische Perspektive der Ukraine und das deutsch-französische Selbstverständnis. Besonders dabei: Die Alumnae und Alumni haben die Veranstaltung durch ihre fachliche Expertise selbst maßgeblich mitgestaltet.
DAAD-Alumnitreffen in Paris
Stephan Steinlein, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Frankreich, lud mit einer inspirierenden Eröffnungsrede direkt zum Austausch ein: „In der Mitte und am Ende des diesjährigen Mottos stehen Fragezeichen. Ich bin gespannt, ob wir nach diesem Wochenende daraus Ausrufezeichen machen können“, sagt Steinlein. Wobei er darüber gar nicht so glücklich wäre, denn Europa sei nicht ‚the same‘ und werde es auch nie werden. „Das Geheimnis Europas ist die Vielfalt, die Fähigkeit, aus Unterschieden immer wieder Gemeinsamkeiten entstehen zu lassen.“ Das geschehe in einem schwierigen Prozess, der alle Beteiligten auf harte Proben stelle. „Diesem Prozess unterziehen wir uns aber immer wieder, weil wir aus jahrhundertelanger Erfahrung wissen, was die Alternative dazu ist.“ In einer Zeit, in der der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist, müsse man sich darauf zurückbesinnen, dass Europa ein Friedensprojekt war und ist.
Auch DAAD-Präsident Professor Joybrato Mukherjee spricht die aktuellen Konflikte in seinem Grußwort offen an. Seit dem letzten Treffen in Brüssel vor fünfJahren sei viel passiert. „Die Welt ist keine bessere geworden. Wir erleben eine Vielzahl an sich gegenseitig verstärkenden Krisen und müssen mehr denn je unsere Problemlösungskompetenzen unter Beweis stellen.“ Beispielhaft nennt er die Coronapandemie, die Folgen des globalen Klimawandels und die blutigen Konflikte in verschiedenen Weltregionen wie den Angriff der Hamas auf Israel oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. „Wenn wir die Welt mitgestalten und verändern wollen, wenn wir die Welt in einem positiven Sinne wandeln wollen, brauchen wir Partnerinnen und Partner in der ganzen Welt, mit denen wir grenzüberschreitend Ideen austauschen und Lösungsansätze entwickeln. Also Wandel durch Austausch. Dafür brauchen wir auch Sie – unsere Alumni.“
Éric-André Martin, Generalsekretär des Studienkomitees für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa), leitet aus diesen Krisen in seiner Keynote und der anschließenden Diskussion mit den Alumnae und Alumni wichtige Aufgaben für Deutschland und Frankreich ab. „Die beiden Länder stehen großen Herausforderungen gegenüber. Sie müssen eine gemeinsame Agenda erarbeiten, sie müssen ihr Potenzial vereinen und als treibende Kraft in einem Prozess der effizienten Modernisierung Europas fungieren.“
Für Michael Benske war es das erste Treffen dieser Art. Ihn interessierten vor allem Themen wie die Regulierungen innerhalb der EU im Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. „Diese Themen stehen im Programm zwar nicht unbedingt im Fokus, aber das Schöne bei solchen Veranstaltungen ist, dass man auch informell ins Gespräch kommt und sein Netzwerk ausbauen kann, egal ob in den Kaffeepausen, beim Abendessen oder bei den Besichtigungstouren in Paris.“ Im Gegensatz zu Michael Benske war Dr. Andreas Knaul bei jedem der bisherigen Treffen dabei – in Hamburg, Brüssel, Rom, Freiburg und Oxford. „Es ist eine freundschaftliche, fast familiäre Atmosphäre“, erklärt der Rechtsanwalt. „Wir arbeiten in ganz unterschiedlichen Fachbereichen, aber uns alle verbindet der DAAD und unsere internationalen Erfahrungen, das schafft Vertrauen und eröffnet viele neue Perspektiven. Deshalb komme ich immer gerne wieder.“