Fair reisen
- 2023-03-23
- Christina Pfänder
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Ein Tourismus, an dem nicht die großen internationalen Konzerne verdienen, sondern die Menschen in der Region, kann in vielen Ländern der Welt zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Auch die Gäste profitieren vom fairen Reisen.
Tania Capel kennt die Schätze ihres Heimatlandes Kenia: warmherzige Menschen, feinsandige Strände, leckeres Essen, ein vielfältiges kulturelles Leben und eine beeindruckende Landschaft. „Abseits der großen Ressorts und bekannten Safari-Touren gibt es unglaublich viel Spannendes zu entdecken und zu erleben“, sagt sie. „Viele Touristinnen und Touristen haben jedoch kaum Kontakt zur lokalen Bevölkerung und lernen die facettenreiche kenianische Kultur mit ihren rund 40 Stämmen gar nicht kennen.“
Capel, die in Uganda und Botswana wohnte und in Südafrika, Tansania, Österreich und Thailand gearbeitet hat, lebt mittlerweile in Düsseldorf. Als Reiseberaterin möchte sie mit ihrem Unternehmen TC darauf aufmerksam machen, dass Ostafrika mehr als Elefanten und Nashörner zu bieten hat. Gleichzeitig möchte sie die Lebensgrundlage der Menschen dort verbessern und hilft lokalen ostafrikanischen Touristikunternehmen dabei, den europäischen Markt zu erschließen.
Politische und soziale Teilhabe
„Ich bringe deutsche Touristinnen und Touristen mit Guides zusammen, die sie beispielsweise zu Veranstaltungen, Märkten und Restaurants abseits des Massentourismus führen.“ Die Menschen in der Region erhielten dabei eine gerechte Bezahlung – und die Gäste ein authentisches Erlebnis. Zudem übernachten Capels Kunden in privat vermieteten Unterkünften und nicht in großen Hotels. Sie achte darauf, dass die Betriebe nur von Einheimischen – gerne von Frauen – geführt werden und dass der Gedanke der Nachhaltigkeit berücksichtigt werde. Besonders wertvoll seien die persönlichen Begegnungen und der respektvolle kulturelle Austausch. „Das ist für beide Seiten ein Gewinn“, sagt Capel. „Ein gemeinsames Kochen und Abendessen bleiben lange in Erinnerung und können uns positiv verändern.“
Grundlage ihrer beratenden Tätigkeit ist dabei die Idee vom fairen Reisen. „Dieser Ansatz berücksichtigt die soziale Gerechtigkeit sowie die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen während der Reise“, erklärt Lucy Atieno aus Kenia, die mit einem -Stipendium als Doktorandin am (ZMT) unter anderem zum nachhaltigen Tourismus forscht. Dank eigener kleiner Gewerbe profitiere die lokale Gemeinschaft nicht nur finanziell von diesem Modell: „Die Gastgebenden erhalten gleichzeitig auch politische und soziale Befugnisse, da sie an Entscheidungen mitwirken und Entwicklungsprojekte gestalten können“, sagt sie. „Der Gedanke, anderen Gutes zu tun, trägt wiederum zur Zufriedenheit der Reisenden bei.“
Nachhaltig reisen
Wer seine Reise bewusst plant, kann dabei auch die Umwelt schonen: Wenig Gepäck, das beim Transport Kraft und Emissionen spart, gehört ebenso dazu wie der schonende Umgang mit Wasser und die Reduktion von Müll. Zudem sollten regionale Lebensmittel konsumiert werden. Zentral ist auch die Wahl umweltfreundlicher Verkehrsmittel: Bus und Bahn sind besser als das Auto, den größten CO2-Fußabdruck hinterlässt ein Flugzeug. Ist das Zielland ohne Flug nur schwer zu erreichen, sollten Reisende längere Zeit am Urlaubsort verweilen. Zudem besteht die Möglichkeit, weltweite Kompensationsprogramme finanziell zu unterstützen.
Ein Umdenken hin zum ökologischen Tourismus ist für die Branche enorm wichtig: Küstenregionen sind durch den Anstieg des Meeresspiegel sowie die Versauerung und Erwärmung der Ozeane direkt mit der Erderwärmung konfrontiert. Eine Tatsache, die Lucy Atieno Anlass zum genauen Hinschauen gibt. „Meine Forschung an der Küste Kenias konzentriert sich auf die Frage, inwiefern der Tourismus trotz der Erderwärmung weiter bestehen kann und wie sich allgemeine Strategien gegen den Klimawandel auf touristisch geprägte Küstenregionen auswirken“, sagt Atieno. „Ich hoffe, damit zur Transformation hin zu klimabeständigen Lebensunterhalten im Küsten- und Meerestourismus beitragen zu können.“
Ein verantwortungsvoller, nachhaltiger Tourismus – das ist auch das Ziel von Dr. Annika Surmeier. Die Geografin, die aktuell an der Graduate School of Business der University of Cape Town als Senior Lecturer arbeitet, forschte für ihre Promotion an der Philipps-Universität Marburg zum fairen Reisen mit dem Schwerpunkt auf soziale Nachhaltigkeit. „Südafrika war damals in diesem Bereich führend und wollte nach dem Ende der Apartheid eine sozial inklusive Tourismusindustrie etablieren“, erzählt sie. „In meiner Doktorarbeit habe ich mich unter anderem damit beschäftigt, wie Fairtrade-Kriterien auf den Tourismus übertragen werden können.“ Surmeier reiste dafür von 2013 bis 2017 mehrmals mit DAAD-Stipendien an die University of Cape Town und wertete Projekte wissenschaftlich aus.
„Tourismus als Treiber für nachhaltige Entwicklung nutzen“
Bei ihren Feldforschungen lernte sie Thobela Roloma kennen, der in einem Township geboren wurde. „Menschen aus diesen Armenvierteln sind auch mit höheren Bildungsabschlüssen meist zu sehr geringen Löhnen angestellt oder finden keinen adäquaten Job“, sagt Surmeier. „Das liegt meistens daran, dass Gewinne entlang touristischer Wertschöpfungsketten sehr ungleich geteilt werden.“ Gleichzeitig bestehe trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Südafrika ein Fachkräftemangel.
Gemeinsam mit Roloma, der nach seinem Studium des Tourismusmanagements als Südafrikaspezialist und einer der besten Kulturführer des Landes ausgezeichnet wurde, gründete Surmeier 2019 das Touristikunternehmen . „Mit unserem Angebot, das von gängigen Routen abweicht, wollen wir der sozialen Ungerechtigkeit entgegentreten, Potenziale sichtbar machen und den Tourismus als Treiber für nachhaltige Entwicklung nutzen“, erklärt sie. „Die Menschen aus marginalisierten Gebieten beziehen wir mit ihren Geschäftsideen ein, sodass beispielsweise rund um die Unterkünfte Wäschereien, Läden oder Restaurants entstehen und eine Teilhabe am Tourismus möglich wird.“
Ihre Kundinnen und Kunden lernen entlegene Strände der Wild Coast und soziale Initiativen kennen und können ein Township besuchen. „Normalerweise wird Touristinnen und Touristen aus Sicherheitsgründen davon abgeraten, diese Viertel alleine zu betreten“, erläutert Surmeier. „Mit einem Reiseführer, der dort geboren wurde, können sie jedoch diese lebhaften Teile der Stadt erkunden und die Lebensumstände und Menschen kennenlernen.“
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