Geflüchtet aus Syrien: Mit Stipendium zum Bachelor
- 2021-09-07
- Sabine Buchwald
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"Man kann jedes Ziel erreichen"
Als Jugendlicher hatte Ahmad Sami Qaddura zwei Ziele: Er wollte Informatik studieren und als Schauspieler auf der Bühne stehen. Die Schauspielerei sollte nur ein Hobby oder ein Nebenverdienst sein. So wie die kleinen Jobs als Komparse bei Fernsehserien, die er hatte, als er noch mit seiner Familie in Damaskus lebte. Seither ist viel passiert für den heute 24-Jährigen. Er floh aus Syrien und konnte dank Unterstützung ein neues Leben in Deutschland beginnen.
Mit einem Stipendium des „Baden-Württemberg-Programms zur Studienförderung von Flüchtlingen aus Syrien“ studierte er Software Engineering. Seit Kurzem arbeitet er beim Softwarekonzern SAP. Damit ist einer seiner großen Träume in Erfüllung gegangen. Der Weg dahin war nicht einfach und völlig anders, als Qaddura es sich in seiner Kindheit hätte vorstellen können. Rückblickend sagt er: „Man kann jedes Ziel erreichen. Man darf nur nicht aufgeben.“
Auf der Flucht mit dem Bruder
Ahmad Sami Qaddura wuchs in Damaskus auf. Seine Mutter stammt aus Syrien, sein Vater ist Palästinenser. Offiziell ist die Familie staatenlos. Als 2011 der Krieg in Syrien begann, war Qaddura 14 Jahre alt. Er war ein guter Schüler, interessierte sich für Kultur und weniger für die politischen Konflikte um ihn herum. Nach seinem Abitur hätte er zum Militär gehen müssen, auch sein älterer Bruder stand damals vor diesem Schritt. Doch die Vorstellung, auf jemanden zu schießen oder selbst erschossen zu werden, fanden beide entsetzlich. Die Brüder beschlossen, aus Syrien zu fliehen.
Wochenlang dauerte die Flucht durch die syrischen Kriegsgebiete und über die Berge in Richtung Türkei. Ihr Plan war, dort als Handwerker zu arbeiten, um die Weiterreise zu finanzieren. Sie wollten nach Skandinavien oder in ein anderes europäisches Land, um dort in Frieden zu leben, solange in Syrien Krieg herrscht.
Möglichst schnell Deutsch gelernt
Am Ende musste die Familie Geld für die Fahrt mit einem Schlepperboot schicken. Es war eine lebensgefährliche Reise – Qaddura kann nicht schwimmen. Er landete auf der griechischen Insel Lesbos, wo er 103 Tage in einem Lager festsaß. „Das war die schlimmste Zeit meines Lebens.“ Wenig Essen, keinen Euro mehr, nur alle zwei Wochen Kontakt nach draußen. Und doch hatte er Glück: Eine griechische Anwältin half ihm weiter. Und so kam der junge Syrer über Athen, Mazedonien, Serbien und Ungarn 2015 nach Dortmund.
Qaddura kannte Europa nicht. Er stellte sich das Leben dort so vor, wie er es in amerikanischen Filmen gesehen hatte. Er lacht, als er das erzählt, denn dieses Bild stimmte nicht ganz, wie er heute weiß. Um mehr über die Leute und das Land zu erfahren, in dem er gelandet war, wollte er so schnell wie möglich Deutsch lernen. Es sei ihm unangenehm gewesen, andere bitten zu müssen, für ihn zu übersetzen. Er ist jemand, der offen auf Menschen zugeht und sich von schlechten Erfahrungen nicht entmutigen lässt. „Wenn ich etwas falsch mache, versuche ich, daraus zu lernen.“
Intensive Vorbereitung auf das Studium
Mit dieser positiven Sicht auf das Leben kommt Qaddura voran. Sehr geholfen hat ihm die Freundschaft zu einem deutschen Ehepaar, das ihn in der ersten schwierigen Zeit unterstützte. Über das Paar erfuhr er auch von dem baden-württembergischen Stipendienprogramm für syrische Flüchtlinge, einem Sonderprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Er bewarb sich und wurde nach einem Auswahlverfahren angenommen. Er konnte Deutsch-Intensivkurse und verschiedene Orientierungsseminare besuchen, die ihn auf sein Studium vorbereiteten.
Qaddura entschied sich danach für ein Studium an der Hochschule Heilbronn und schaffte in der Regelstudienzeit von sieben Semestern seinen Bachelor-Abschluss. Nebenbei arbeitete er mit einem Werkstudentenvertrag als Web-Entwickler bei der Firma Bosch. Dankbar erzählt er, dass er dabei „sehr, sehr viel gelernt“ habe.
Nach zahlreichen Bewerbungen fand Absolvent Qaddura schließlich auch einen festen Arbeitsplatz. Dass er dafür umziehen musste, macht ihm nichts aus. „Man muss in kleinen Schritten denken.“ Demnächst möchte er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen und auf Reisen Europa erkunden. Den Traum vom Schauspielen hat er auch noch nicht aufgegeben.
Zusätzliche Informationen
Das zur Studienförderung von Flüchtlingen aus Syrien richtet sich an studienbefähigte begabte junge Menschen aus dem Bürgerkriegsland. Es wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) durchgeführt. Das Programm beinhaltet Deutsch-Intensivkurse und Seminare, beispielsweise zu Zeitmanagement oder Gesprächsführung. Ahmad Sami Qaddura ist einer von 91 Stipendiatinnen und Stipendiaten, die seit 2015 gefördert wurden.
Weitere Förderprogramme für verfolgte und bedrohte Personen: