Wie funktioniert Sozialunternehmertum?
- 2022-05-02
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Fünf Expert:innen, fünf Fragen: Frage 2
Neben etablierten Organisationen sind auch Individuen – etwa soziale Macher:innen und Social Entrepreneurs – bemüht, innovative Lösungen voranzubringen. Was muss man als Einzelne/r bei der Entwicklung von sozialen Innovationen und Projekten bedenken, damit diese auch gesellschaftlich akzeptiert und wirksam umgesetzt werden können?
Tamara Ferreira Schmidt
Es ist sehr wichtig, den Unterschied zwischen nicht auf Profit ausgerichteten Innovationstreibern und Social Entrepreneurs zu erklären, deren Motivation finanzielle Erträge sind. Während erstere normalerweise gar keine Absicht haben, finanzielle Erträge zu erzielen, sind Social Entrepreneurs zwar nicht auf Profit ausgerichtet, haben aber das Ziel, die Betriebskosten zu decken und sich selbst ein Gehalt zu zahlen.
Findet ein auf Profit ausgerichtetes Unternehmen eine Möglichkeit, Werte für Kund:innen zu schaffen, hat es normalerweise seine Einnahmequelle gefunden: Die Kund:innen bezahlen für den Gegenwert. Im gemeinnützigen Sektor ist dies nicht der Fall. Finden Social Entrepreneurs Wege, um Werte für Menschen mit entsprechendem Bedarf zu schaffen, haben sie ihren wirtschaftlichen Motor noch nicht gefunden. Das ist ein separater Schritt. Laut Clara Miller, Geschäftsführerin des Nonprofit Finance Fund, haben alle gemeinnützigen Unternehmen zwei „Geschäftsfelder“: Zum einen ihr Kerngeschäft, ihre Programme und/ oder Produkte und zum anderen das Auftreiben von „Zuschüssen“, etwa in Form von Spenden. Ein geeignetes Finanzierungsmodell für ein Projekt zu finden ist deshalb ganz entscheidend.
William Landes Foster, Peter Kim und Barbara Christiansen erläutern verschiedene Finanzierungsmodelle: Die Modelle „Heartfelt Connector“, „Beneficiary Builder“ und „Member Motivator“ basieren überwiegend auf vielen Einzelspenden. Beim Modell „Big Bettor“ kommt die Finanzierung größtenteils von einer Person oder einer kleinen Anzahl von Einzelpersonen oder Stiftungen. Die Modelle „Public Provider“, „Policy Innovator“ und „Beneficiary Broker“ dagegen werden hauptsächlich durch öffentliche Gelder finanziert. Unternehmensfinanzierung spielt beim Modell „Resource Recycler“ die größte Rolle, während die Modelle „Market Maker“ und „Local Nationalizer“ auf einer Mischung von Geldgebern basieren.
Raju Gurung
Soziale Aktivist:innen und Sozialunternehmer:innen können positive Veränderungen in gesellschaftlichen Bereichen anstoßen, die von der Mehrheit der Marktteilnehmer:innen nicht wahrgenommen werden. Einige der wichtigsten Dinge, die soziale Innovator:innen beachten sollten, sind:
- Versuchen Sie nicht, ein gewinnorientiertes Sozialunternehmen wie ein gemeinnütziges Unternehmen zu führen. Ein Unternehmen existiert, um ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu finden, das eine dauerhafte Wirkung erzielt.
- Verlieren Sie Ihren Fokus nicht, indem Sie versuchen, von Anfang an die perfekte Vision zu entwickeln. Es ist sehr leicht, die Dinge kompliziert zu machen, und es braucht Zeit, um Glaubwürdigkeit und eine Marke aufzubauen. Lassen Sie sich auf den Kundenentwicklungsprozess ein und versuchen Sie, sich wirklich auf die wichtigsten Bedürfnisse zu konzentrieren, die noch nicht angesprochen wurden, auf die Bedürfnisse, die den besten Einstieg in den Markt darstellen werden.
- Das einfache Übertragen von Lösungen aus dem „Westen“ auf Märkte in Entwicklungsländern ist oft gescheitert. Man muss Lösungen entwickeln, die auf die jeweiligen Menschen und den lokalen Kontext abgestimmt sind.
Unsere Expert:innen
Evans Quartey Hammond
Nachfolgend nenne ich einige Schlüsselfaktoren, die Einzelpersonen und Organisationen bei der Entwicklung nachhaltiger sozialer Innovationsprojekte berücksichtigen und bewältigen müssen: Man muss festlegen, welches Problem man durch ein Projekt angehen möchte und welche Art von sozialem Wandel man anstrebt. Auch muss man die sozialen Auswirkungen des Projektes validieren. Zudem ist es ist von entscheidender Bedeutung, die wirtschaftliche Nachhaltigkeit eines Projektes zu bewerten, indem man Finanzierungsmodelle entwickelt, die das langfristige wirtschaftliche Überleben gewährleisten. Die sektorübergreifende Zusammenarbeit ist ebenfalls wichtig, da so verschiedene Akteur:innen in die Initiative eingebunden werden können und ihre Interaktion erleichtert wird. Skalierbarkeit und Replizierbarkeit helfen dabei, festzustellen, ob die Initiative erweitert oder auch in andere Kontekte übertragen werden kann.
Magdalena Parcheva
Um soziale Innovationen erfolgreich zu entwickeln, umzusetzen und zu übernehmen, müssen diverse Aspekte berücksichtigt werden. Zunächst muss das gesellschaftliche Problem oder die Herausforderung, mit der sich die soziale Innovation befasst, konkret und eindeutig definiert werden und es müssen verschiedene Lösungsansätze umrissen werden. Der nächste wichtige Punkt ist die Entwicklung eines Prototypen unter Berücksichtigung der Eigenschaften der sozialen Innovation. Bei sozialen Innovationen geht es meistens um neue Verfahren, Methoden oder Mechanismen und in der Prototypenphase sollte die Kombination von Ansätzen, Verfahren und Maßnahmen optimiert und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen bewertet werden. Hier sollte man möglichst verschiedene Alternativszenarien entwickeln. Der dritte wichtige Aspekt ist die Beteiligung von verschiedenen Parteien an der Entwicklung und Umsetzung der sozialen Innovation, etwa Wirtschaftsvertreter:innen, Arbeiter:innen, gesellschaftliche Partner:innen, Vertreter:innen von Universitäten und Forschungseinrichtungen, sowie öffentlicher Ämter.
Um eine soziale Innovation erfolgreich entwickeln und umsetzen zu können, braucht es Engagement für das gesellschaftliche Thema, man muss diverse Parteien zu einer Beteiligung motivieren und Vertrauen unter den Partner:innen schaffen. Der letzte wichtige Aspekt besteht darin, Nachhaltigkeit sicherzustellen. Man muss Mechanismen und einen entsprechenden Plan entwickeln und vorstellen, um die soziale Innovation in der Gesellschaft zu positionieren, die Akzeptanz der neuen Lösung zu fördern und durch ihre Umsetzung einen nachhaltigen gesellschaftlichen Wandel zu ermöglichen.
Ingo Steffgen
Meines Erachtens geht soziale Innovation fast immer von Individuen aus; etablierte Organisationen nutzen dann Ihre Größe, um Skaleneffekte zu erzielen und die Ideen voranzubringen. Wie mit jeder Geschäftsidee, entscheidet meist der Markt, inwieweit diese Akzeptanz findet. Jedoch zeigen Geschäftsbeispiele wie das Apple iPhone oder Red Bull das ein "Bedarf" auch generiert werden kann. Ich würde jedoch davon abraten, mit einer guter Verpackung oder Marketingkampagne Menschen von der Güte einer Sozialinnovation zu überzeugen. Vielmehr geht es darum, die soziale Veränderung mit der Zielgruppe gemeinsam zu entwickeln, durch Prototypen und minimal brauchbare oder existenzfähige Produkte bzw. Dienstleistungen. Meine Empfehlung: so klein wie möglich beginnen und zusammen mit denen, denen die Idee helfen soll, die soziale Innovation weiterentwicklen und voranbringen.