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Frauenfußball: verboten, belächelt, triumphiert

Zweikampf am Ball zwischen einer deutschen Fußballspielerin und dem gegnerischen Team.
© picture-alliance/foto2press

Hoch gehandelt – tief gefallen: So ging es den deutschen Fußballspielerinnen bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland. Das Ausscheiden der Mit-Favoritinnen in der Vorrunde hat aber eine gute Seite: Noch nie befassten sich Zeitungen in Deutschland nach einem Scheitern so intensiv mit dem Frauenfußball. Das unterstreicht, wie ernsthaft der Frauenfußball mittlerweile in Deutschland genommen werden. Auch die Einschaltquoten belegen da. Mehr als zehn Millionen Menschen schalteten in der Spitze ein. Wer Angst hat, dass der durch die Europameisterschaft der Frauen im Jahr 2022 ausgelöste Boom jetzt zu Ende ist, dürfte sich täuschen.

Dabei hat der Frauenfußball auf der ganzen Welt und auch im fußballverrückten Deutschland Nachholbedarf. In der Frauen-Bundesliga verdreifachte sich zwar der Zuschauerschnitt vergangene Saison auf 2723 Zuschauer pro Spiel. In der Männer-Bundesliga waren es mit 42.992 aber nach wie vor viel mehr Zuschauerinnen und Zuschauer. Während die Männer hauptberuflich als Profisportler tätig sind, müssen über die Hälfte der Profi-Fußballerinnen in der Bundesliga aufgrund der großen Verdienstunterschiede noch in einem anderen Beruf arbeiten. In England, Spanien oder Italien ist die Entwicklung bereits weiter.

Der Rückstand liegt vielleicht daran, dass schon der Anfang schwer war. Gerade in England und Frankreich boomte Frauenfußball schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Gesellschaft in Deutschland fand fußballspielende Frauen dagegen unmöglich. Die Nazis sahen die Aufgabe von Frauen darin, Mutter zu sein. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Fußball in Deutschland lange Männersache. 1955 verbot der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen Vereinen sogar den Frauenfußball.

Widerstand und Resilienz: der Wandel des deutschen Frauenfußballs

Aber die Frauen ließen sich nicht unterkriegen: Trotz des Verbots sollen in den 60er Jahren etwa 60.000 Frauen und Mädchen gekickt haben. Erst 1970 wurde das Verbot schließlich aufgehoben; heute sind über eine Million Mädchen und Frauen in Vereinen aktiv. Dies ist auch ein Erfolg der Emanzipationsbewegung, die für die Gleichberechtigung von Mann und Frau kämpfte. Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass bis 1977 Frauen in Deutschland gesetzlich zum Führen des Haushalts verpflichtet waren. An professionelle Fußballerinnen war in solch einem Umfeld noch nicht zu denken.

Bis zur Einführung einer Bundesliga für Frauenfußball dauerte es noch bis 1986. Eine kleine Geschichte verrät, wie geringwertig in dieser Zeit der Frauenfußball angesehen war: 1989 wurden die Deutschen Europameisterinnen. Als Siegprämie bekam jede Spielerin ein Kaffeeservice. Die deutschen Männer, die ein Jahr später Weltmeister wurden, bekamen pro Spieler mehr als 64.000 Euro. Vor der Weltmeisterschaft 2019 machten sich die Fußball-Frauen in einem Werbespot über die alte Siegprämie lustig. Trainerin Martina Voss-Tecklenburg, die 1989 noch als Spielerin aktiv war und auch ein Kaffeeservice bekommen hatte, trank grinsend mit ihrer Torhüterin Almuth Schult und Verteidigerin Kathrin Hendrich einen Kaffee aus dem Service. Dazu erzählte im Hintergrund eine Stimme von lauter alten Vorurteilen über Frauenfußball.

Deutschlands Werbung für die Frauen-WM 2019

Deutschlands Werbung für die Frauen-WM 2019 Deutschlands Werbung für die Frauen-WM 2019 ©

Kapitänin Alexandra Popp erklärte zu diesem populären Werbespot,  Popp ist als Fußballerin inzwischen bekannter als viele ihrer männlichen Kollegen. Ihre kürzlich erschienene Autobiografie „Dann zeige ich es euch eben auf dem Platz“ wurde direkt zum Bestseller. Fußballerinnen wie Silvia Neid oder Birgit Prinz, die früher zu den Top-Spielerinnen zählten, hatten zu ihrer Zeit einen sehr viel geringeren Bekanntheitsgrad.

Zwar gab es auch vor der WM 2019 oder der EM 2022 immer wieder Höhepunkte im Frauenfußball weltweit und in Deutschland. Oft waren dies aber nur Strohfeuer. So werden im Radio und Fernsehen nach wie vor nur wenige Frauenspiele live übertragen. Die WM in diesem Jahr war die erste, bei der die weltweiten Fernsehrechte von der FIFA gesondert verkauft wurden – vorher wurden sie zu den Fernsehrechten der Männer quasi als Zugabe verschenkt.

Wegweisender Fortschritt: Engagement und Inklusion

Die Frauen werden außerdem dafür gelobt, dass sie in vielen gesellschaftspolitischen Fragen viel engagierter sind als Männer. So verhinderte der Protest von Spielerinnen, dass Saudi-Arabien mit seinen eingeschränkten Frauenrechten ein Sponsor der jetzigen WM wurde. Auch der Umgang mit Homosexualität ist im Frauenfußball offener. 96 Spielerinnen der aktuellen WM zählen nach Angaben der Internetseite zur LGBTQ-Gemeinschaft. So viele wie noch nie zuvor. Beim Männerfußball gibt es fast keine offen homosexuellen Männer. Dazu kommt beim Frauenfußball eine Fankultur, die als friedlicher, fröhlicher und inklusiver gilt.

Einen spannenden Versuch, eine neue Erfolgsstory zu schreiben, gibt es gerade in Berlin. Dort unterstützen Prominente wie die Komikerin Carolin Kebekus oder die Schauspielerin Ulrike Folkers die Fußballerinnen des Vereins Viktoria Berlin. Das Ziel des Vereins ist der schnelle Aufstieg in die Bundesliga. Doch nicht nur das: „Unser Ziel ist neben dem sportlichen Erfolg einen Wandel im deutschen Fußball voranzutreiben und die Gesellschaft positiv zu beeinflussen“, schreibt der Club. Das sind Worte, die im Männerfußball noch nie zu hören waren.

Kommentare

  • ROBNGUE KOUMBAYE

    23.08.2023

    Ich bin alumni von DW Akademie Berlin 2005

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