Navigationsbereich

Duzen oder Siezen im Arbeitsleben?

Geschäftsleute begrüßen sich während einer Kaffeepause auf einer Konferenz
© Getty Images/Anchiy

In der heutigen Arbeitswelt gehört das Duzen häufig dazu, allerdings nicht in allen Bereichen. Das macht es gerade für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger in Deutschland schwierig zu unterscheiden, wann das vertrauliche Du und wann das respektvolle Sie verwendet wird. Die Expertin Linda Kaiser, stellvertretende Vorsitzende der Deutschen-Knigge-Gesellschaft, klärt im Interview die wichtigsten Fragen.

Frau Kaiser, warum setzt sich das Duzen in der Arbeitswelt mehr und mehr durch?

In internationalen Firmen hat sich Englisch als Unternehmenssprache durchgesetzt. Inzwischen wird es auch für die externe Kommunikation genutzt. Man will besonders weltoffen, dynamisch und jung wirken. Dabei verwechselt man das englische „you“ gerne mit dem Du, das in der deutschen Sprache eine sehr vertrauliche Anrede ist. Vor allem für junge Menschen ist die Verwendung des Dus inzwischen selbstverständlich, denn es wird in so gut wie allen Social Media-Kanälen sowie bei Streaming-Diensten genutzt.

Wann hat das mit dem Duzen begonnen?

Die „Duz-Welle“ findet ihren Ursprung in der Werbung. Den Anfang hat unter anderem der schwedische Möbelkonzern Ikea gemacht. Seit 1974 wird als Teil der Firmenpolitik konsequent geduzt – und das weltweit. In Schweden gilt das Du prinzipiell für alle, außer für die Königliche Familie.

Gibt es Branchenunterschiede?

In kreativen Berufen, in der IT, im E-Commerce, in der Startup-Szene und in der Telekommunikation wird intern häufig das Du verwendet, aber auch Kunden werden mitunter gnadenlos geduzt. Dagegen wird in konservativen Branchen wie Banken und Versicherung eher gesiezt, so auch beim alten Einzelhandel wie Kaufhäuser oder Apotheken. Generell gilt: Je teurer das Produkt, desto eher wird gesiezt.

Easy German: Duzen und Siezen

Easy German: Duzen und Siezen Easy German: Duzen und Siezen ©

Worauf sollten Mitarbeitende achten, die neu im Unternehmen sind?

Für den Anfang empfiehlt es sich, beim Sie zu bleiben, es sei denn, das Du ist Teil der Firmenkultur und als solches auch entsprechend kommuniziert. Zum Du sollte man erst übergehen, wenn es explizit von den höherrangigen Kolleginnen und Kollegen angeboten wurde. In der agilen Arbeitswelt gehört das Duzen inzwischen dazu, denn es baut Distanz zwischen den Hierarchieebenen ab. Besonders in Unternehmen mit jüngeren und internationalen Mitarbeitenden ist das Du als Anredeform oft selbstverständlich.

Welche Grundregeln gelten beim Anbieten des Dus?

In der Arbeitswelt ist das ausschließlich von der Ranghöhe abhängig. Der Ranghöhere bietet dem Rangniedrigeren das Du an. Im Privaten bietet die ältere Person der jüngeren das Du an. Und: Die Dame bietet dem Herrn das Du an, sofern sie in etwa das gleiche Alter haben.

Es wird häufig von einem Anlass-Du gesprochen. Was bedeutet das?

Wenn Menschen zu bestimmten Anlässen zusammenkommen, wie zu einem Seminar, einer Fortbildung oder einem Firmen-Event, dann wird in diesem geschlossenen Rahmen oft das Du verwendet. Es gilt dann nur für die Dauer der Maßnahme. Anschließend können alle, die das möchten, wieder zum Sie wechseln.

Warum bestehen weiter viele Menschen auf das Sie?

Im Deutschen ist das Du als sehr vertrauliche Anrede verankert. Es ist wie eine Gunst, die man anderen gewährt, und zwar erst, nachdem verschiedene Punkte abgeglichen wurden: Haben wir gemeinsame Werte, Ziele, Freunde? Auch im Berufsleben wird es als unhöflich empfunden, wenn einem das Du aufgedrängt wird. Ob nun als Kollegin oder Kollege sowie als Kundin oder Kunde. Mit dem ungefragten Duzen ist beispielsweise die Business-Plattform Xing kläglich gescheitert. Sie hat ihre Mitglieder in einer Mail darüber informiert, dass ab sofort in der gesamten Kommunikation geduzt werde. Die Community hat dagegen protestiert – mit Erfolg.

Kann man das Du auch ablehnen?

Eine Ablehnung muss wohl überlegt sein – man sollte sich fragen: Kann mein Gegenüber das verkraften? Außerdem empfehle ich immer, in Ich-Botschaften zu kommunizieren. Hier ein paar Beispiele: „Ich möchte gerne, dass wir beim Sie bleiben“, „Ich danke Ihnen für das Angebot, es ehrt mich sehr, aber lassen Sie uns beim Sie bleiben“ oder „Im beruflichen Kontext bleibe ich gerne beim Sie“. Dann sollte man allerdings auch mit allen Kontakten per Sie sein und keine Ausnahmen machen, sonst fühlt sich die andere Person brüskiert.

Kann man das Du zurücknehmen?

Nein, wenn es einmal gegeben wurde, gilt es ein Leben lang.

* Pflichtfeld