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Warum Wörter kommen und gehen

eine Nahaufnahme eines aufgeschlagenen Dudens
© Getty Images/tioloco

Wörter wie „Firlefanz“ oder „hanebüchen“ benutzt heute kaum jemand mehr. Dafür kommen neue Wortschöpfungen dazu. Die Germanistikprofessorin Claudia Wich-Reif erklärt, warum Wörter in Vergessenheit geraten und andere entstehen.

Nicht nur die Gesellschaft, auch die Sprache unterliegt einem Wandel. So verschwinden im Laufe der Jahre immer wieder Begriffe aus dem aktiven Sprachgebrauch der deutschen Sprache. „Kaum jemand kennt mehr Wörter wie Firlefanz oder hanebüchen“, erklärt Claudia Wich-Reif, Professorin für Germanistik an der Uni Bonn. Das Nachschlagewerk Duden, das bekannteste Wörterbuch für deutsche Sprache, hat in seiner aktuellen Ausgabe diverse Begriffe gestrichen, darunter Lehrmädchen (Auszubildende), Schnürleibchen (Korsage) oder Fernsprechanschluss (Telefonanschluss).

Sprache als Spiegel der Gesellschaft

„Es gibt normalerweise keine bewusste Sprachveränderung, sie passiert einfach“, sagt Wich-Reif. Dabei sind die Gründe für den Wandel oft ganz simpel. „Manche Wörter werden nicht mehr verwendet, weil man sie nicht mehr braucht, da es inzwischen modernere Wörter dafür gibt“, sagt die Sprachwissenschaftlerin. Welche Frau würde es heute noch tolerieren, Weib statt Frau genannt zu werden? Welche unverheiratete Frau möchte sich ernsthaft mit Fräulein ansprechen lassen? Und wer sagt zu einem Blinker noch Winker? Richtig, niemand. 

Zudem sterben Wörter aus, weil es die Geräte nicht mehr gibt, für die man diese Begriffe gebraucht hat. So sind die VHS-Kassette, der Walkman, das Telegramm oder der Diskman aus unserem Sprachschatz verschwunden. Und natürlich werden Wörter auch gestrichen, weil sie politisch nicht mehr korrekt sind. In diese Kategorie fallen unter anderem Begriffe, die ehemals für kulturelle Minderheiten verwendet wurden, aufgrund ihres diskriminierenden Inhalts jedoch nicht mehr benutzt werden. Oftmals sind diese Wörter Fremdbezeichnungen, das heißt Wörter, die von einer Mehrheitsgesellschaft verwendet werden, um eine andere Gruppe oder Mitglieder dieser Gruppe zu beschreiben bzw. zu benennen.. „Grund für das Aussterben dieser Wörter ist die gesellschaftliche Diskussion. Sie führt zu großen Veränderungen im Sprachgebrauch, und zwar vor allem da, wo es um Menschen geht und um die Frage, wie wir einander angemessen begegnen wollen“, so Wich-Reif.  

Sprache unterliegt also in vielerlei Hinsicht einem Wandel. Und das ist auch gut so, meint die Professorin. Deshalb hält sie auch den Satz „Deutsch sollte auch Deutsch bleiben“, für Unsinn und verweist dabei auf das Wort Airbag. „Luftsack würde den Begriff nicht ausreichend erklären“, meint die Germanistin. „Sprache verändert sich, weil wir sie verwenden und auch, weil wir uns verändern, ansonsten würden wir ja weiterhin Althochdeutsch sprechen, das die erste Sprachstufe des Deutschen ist und die um 750 n. Chr. Beginnt.“  

Wie schaffen es Wörter in den Duden?

Wie schaffen es Wörter in den Duden? Wie schaffen es Wörter in den Duden? ©

Wörter erhalten vor allem durch Digitalisierung zusätzliche Bedeutung

Wörter verschwinden, gleichzeitig finden andere Aufnahme in unseren Wortschatz. Der Duden hat in seiner aktuellen Ausgabe 3000 neue Begriffe aufgelistet, darunter aufploppen, Brexiteer, Craftbeer, Enkeltag, Faktenfinder, Flugscham, haten, Insektensterben, Klimakrise, Lifehack, plastikfrei, Uploadfilter oder Wiesn. „Gerade in den Bereichen Technik, Klima, Umwelt, Mobilität, Gender und Gesundheitswesen ist der Wortschatz stark gewachsen“, sagt Wich-Reif.  

Allein die Covid-19-Pandemie hat für eine regelrechte Explosion an Wortneuschöpfungen in der deutschen Sprache gesorgt. Das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache hat 2500 Wörter, Wendungen und Bedeutungen rund um die Corona-Pandemie gezählt. Darunter Maskenpflicht, Abstandsgebot, Zweitimpfung, Super-Spreader, Zwei-Haushalts-Regel. „Vor allem Neubildungen, die aus Elementen bestehen, die man schon kennt, haben eher Erfolg, sich durchzusetzen“, hat die Expertin festgestellt. Gleichzeitig waren einige Wörter jedoch auch altbekannt, zumindest in verschiedenen Fachbereichen und sind erst durch Ausbruch der Pandemie der breiten Bevölkerung bekannt geworden. Covid war Virologen nicht neu, Außengastronomie kommt aus der Fachsprache der Verwaltung und das Wort systemrelevant kennen Expertinnen und Experten der Systemtheorie. 

Unterdessen erhalten bekannte Wörter zusätzliche Bedeutungen, vor allem durch die IT-Technologie. So ist das Virus nicht mehr nur Krankheitserreger, sondern bringt auch Computer zum Ausfall. Ebenfalls bekannt ist der Troll, ein dämonisches Wesen. Durch die Bedeutungserweiterung bezeichnet es auch Internetuser, die andere ärgern wollen.  

Manche Neologien sind auch reine Erfindungen aus dem Journalismus. So ist beispielsweise die Bild-Zeitung (größte Boulevardzeitung in Deutschland) eine wahre Wortschleuder. Renten-Hammer, Teuer-Schock, Inflations-Beben kommen aus der Feder der schreibenden Zunft. „Oft handelt es sich um Gelegenheitsbildungen. Von echten Neologismen sprechen wir nur, wenn sie auch Einzug in die Wörterbücher halten“, so Wich-Reif. 

Tatsächlich nicht durchsetzen konnte sich das Wort sitt, das in Anlehnung an das Wort satt den Zustand bezeichnen soll, dass man genug getrunken hat. „Das verwendet wirklich niemand. Aber offenbar stört es nicht weiter, dass wir kein einzelnes Wort dafür haben“ so Wich-Reif. Offensichtlich ordneten die meisten das Wort sitt unter Firlefanz ein. 

 
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