Wie das Englische ins Deutsche kommt
- 2024-01-26
- Lisa Priller-Gebhardt
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Work-Life-Balance, Selfie, Social Bot – viele Anglizismen sind inzwischen unverzichtbarer Teil der deutschen Sprache. Die Germanistin Karin Pittner erklärt, wie der wachsende Einfluss der englischen Sprache unser Sprachbild prägt.
Im Duden und auch im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache finden sich inzwischen sehr viele Anglizismen. Sind sie damit Teil der deutschen Sprache?
Sowohl der Duden als auch das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache werten Textsammlungen aus. Ob ein Wort aufgenommen wird, hängt also auch davon ab, wie gebräuchlich es ist und wie häufig es dort vorkommt. So hat der Duden unter anderem Undercut, Work-Life-Balance, Low Carb, Hoodie, Urban Gardening, Roadtrip und Jumpsuit aufgenommen. Aber letztlich entscheiden natürlich die Sprecherinnen und Sprecher, welche Wörter zum Sprachgebrauch gehören.
Was halten Sie von den zahlreichen Anglizismen, die sich in die deutsche Sprache eingeschlichen haben?
Manche, wie beispielsweise Computer oder Tablet, sind nötig und nützlich. Sie erleichtern die internationale Kommunikation, da sie in vielen Sprachen Verwendung finden. Da ist es eher hinderlich, wenn ein Land wie Frankreich, das Anglizismen vermeiden möchte, für das Wort Computer Ordinateur benutzt. Gleichzeitig gibt es auch Bereiche, in denen weniger mehr wäre, beispielsweise in der Werbung, im Marketing und auch bei Berufsbezeichnungen. Da soll der englische Begriff die Berufsbezeichnung aufwerten und modern wirken. So wurde aus dem Hausmeister ein Facility Manager.
Bei der Anwendung von Anglizismen gibt es auch einige Fallstricke. Homeoffice heißt eigentlich Innenministerium. Public Viewing heißt öffentliche Leichenschau. Sollte man diese Wörter deshalb lieber vermeiden?
Nein, denn die wenigsten Menschen wissen um die wirkliche Bedeutung. Man spricht hier von Scheinanglizismen, also von Wörtern, die im Englischen eine andere Bedeutung haben. So stört es hierzulande auch niemanden, dass Handy im Englischen cell phone oder mobile phone heißt. Die deutsche Sprachgemeinschaft ist sich seit vielen Jahren einig, dass es bei uns Handy heißen soll.
Beliebte englische Wörter, die Deutsche leider falsch verwenden
Für welche Wörter finden sich tatsächlich keine passenden Eindeutschungen?
Für vieles, das dem Technikbereich entlehnt ist. Wie beispielsweise Social Bot, Selfiestick oder auch Laptop. Es würde doch niemand Klapprechner oder Handcomputer sagen. Außerdem gibt es viele Verben, für die es keine passenden Eindeutschungen gibt wie whatsappen, emailen, tindern, googlen oder twittern. Wobei bei letzterem abzuwarten bleibt, was damit passiert, nachdem aus Twitter nun X wurde.
Worauf ist diese Flut an Anglizismen zurückzuführen?
Amerika ist kulturell führend, – viele Trends in der Mode, im Bereich Film und in der Musik kommen aus dem englischen Sprachraum. Auch die Social-Media-Plattformen kommen überwiegend aus Amerika und geben damit einen gewissen Sprachgebrauch vor. Die deutsche Sprache verändert sich auch durch die Arbeitsmigration.
Ist hier das Englische der gemeinsame Nenner?
Englisch ist die Sprache mit den meisten Sprecherinnen und Sprecher weltweit, noch vor Chinesisch und es ist die Sprache, die am häufigsten als Zweitsprache gelernt wird. Sie hat eine einfache Struktur und lateinische Buchstaben, deshalb ist sie leichter zu lernen als beispielsweise chinesische Sprachen.
„Anglizismen-Gegner“ befürchten schon den Verfall der deutschen Sprache. Zurecht?
Nein, denn der Einfluss, den das Englische auf die deutsche Grammatik sowie die Rechtschreibung hat, ist sehr gering. Es hat sich gezeigt, dass Anglizismen auch in der Flexion angepasst werden, wie zum Beispiel cool, der Coolste. Unterdessen hat das Deutsche als Wissenschaftssprache an Bedeutung verloren. In bestimmten Fachbereichen gibt es kein deutsches Vokabular mehr. Wir sprechen hier von einem Ausbaurückstand. Das heißt, es werden einfach keine neuen deutschen Wörter gebildet, da man mit dem Englischen besser zurechtkommt und auf internationaler Ebene ohne Sprachbarriere kommunizieren kann. Das ist vor allem in den Naturwissenschaften wie Chemie und Physik der Fall. In diesen Bereichen wird auch oft nur noch auf Englisch publiziert.