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Wie die Digitalisierung unsere Sprache erweitert

Junge weibliche Pendlerin nutzt ihr Smartphone am Bahngleis in der U-Bahn Station
© Getty Images/damircudic

Wie sehr der Zeitgeist unsere Sprache beeinflusst, lässt sich beispielsweise an den Tweets, Posts und Kommentaren ablesen, wie sie täglich millionenfach abgesetzt werden. Was und wie wir kommunizieren, hat sich durch die Social-Media-Kanäle massiv geändert. Da immer wieder neue Wort-Kreationen dazukommen, bezeichnet die Linguistin und Buchautorin Gretchen McCulloch die Sprache im Netz als „das größte Open-Source-Projekt der Menschheit“. 

Neue Slangwörter wie Fail oder Safe und Akronyme wie OMG!, FYI, YOLO oder LOL gehören inzwischen zum schnellen Nachrichtenaustausch. Gleichzeitig wird der Stil zum Mündlichen hin aufgeweicht, denn der Dialog in Echtzeit treibt das Tempo des Austauschs an. Da werden Rechtschreibregeln und Groß- und Kleinschreibung ignoriert, genauso wie Punkt- und Kommasetzung. „Mit der Nutzung der neuen Kanäle wird der Gebrauch der förmlicheren Standardsprache in den Hintergrund gedrängt, der Austausch wird informeller“, sagt Andreas Gardt, Professor für Germanistik an der Universität Kassel. „Doch Hauptsache, der Inhalt wird verstanden, da geht man auch mit den eigenen Fehlern großzügig um“, sagt Gardt.  

Droht durch die Echtzeit-Kommunikation der Sprachverfall?

Kulturpessimisten sehen bereits den Sprachverfall kommen. Diese Sorge teilt der Sprachwissenschaftler nicht, denn die klassische Form gebe es ja weiter, meint Gardt, der außerdem Vorsitzender der Sprachkommission der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist. „Entscheidend ist, dass in den Schulen die Standardsprache weiter gelehrt wird und man verschiedene Register beherrscht“, so Gardt. In aller Regel passen die Schreibenden ihren Stil dem Gegenüber an und achten so auf einen angemessenen, situationsbedingten Sprachgebrauch. „Wer für die unterschiedlichen Adressaten die passenden Formulierungen findet, macht alles richtig“, so der Professor.  

Unterdessen wird durch die zunehmende digitale Kommunikation nicht nur im Privaten der Umgangston informeller, auch im beruflichen Umfeld ist das der Fall. „Noch vor 10 bis 15 Jahren wäre es kaum denkbar gewesen, eine uns nicht bekannte Person mit ‚Liebe Frau Meyer‘ anzuschreiben“, erklärt Gardt. Doch die Haltung der Gesellschaft habe sich im Zuge der Digitalisierung stark geändert. Heute sei kaum jemand, der derart vertraulich in einer E-Mail angeschrieben werde, ernsthaft beleidigt, sagt Gardt. 

Neue Berufe und Phänomene vergrößern den Wortschatz

Gleichzeitig finden durch technische Erfindungen und zusätzliche Plattformen auch neue, eigenständige Bezeichnungen ihren Weg in unseren Sprachschatz. „Wörter wie posten, tweeten oder streamen werden in die Sprache integriert und erweitern den deutschen Wortschatz“, sagt Gardt, dessen wissenschaftliches Interesse im Moment auch auf den Begrifflichkeiten liegt, die die KI und damit auch ChatGPT mit sich bringen. „Neue Bereiche, wie wir sie vor allem in der IT-Technologie sehen, bringen zudem bislang unbekannte Berufe hervor, wie Prompter oder AI Ingenieur. Und jeder Beruf hat seinen eigenen Wortschatz. Dabei handelt es sich vielfach um Fachwörter, von denen ein gewisser Teil auch in unseren täglichen Wortschatz übergeht“, so Gardt. Darunter Urheberrechte, Privatsphäre und Globalisierung. Schwerer tun sich dagegen Wörter wie Cloud, Algorithmus und Data, die eng mit der digitalen Transformation verknüpft sind. „Bis sie aktiver Teil des Sprachgebrauchs werden, muss ihre Bedeutung erst einmal bekannt werden“, sagt Gardt. Und wie lange dauert es überhaupt, bis sich neue Begriffe durchsetzen? „Der Duden oder das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache beobachten das über einen längeren Zeitraum hinweg. Wörter, die nach fünf oder zehn Jahren noch benutzt werden, schaffen es dann auch in die Nachschlagewerke.“ 

 
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