Von São Paulo ins Rheinland – Arbeiten in Deutschland

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In der neuen Gesprächsreihe „Arbeiten in Deutschland – Perspektiven aus aller Welt“ gewähren internationale Fachkräfte Einblicke in ihre beruflichen und privaten Erfahrungen, die sie in Deutschland sammeln. Sie berichten darüber, wie es ist, in Deutschland Fuß zu fassen. Dabei geben sie auch wertvolle Tipps und praktische Ratschläge für die persönliche Integration.

Den Auftakt der neuen Reihe, die fünf internationale Fachkräfte vorstellt, machte Adrian Flaksbaum Moll. Er stammt aus der brasilianischen Metropole São Paulo und lebt seit 2019 in Köln. Zuvor hatte er in Brasilien und Frankreich Wirtschaftsingenieurwesen studiert und arbeitet heute als Controller bei einem regionalen Verkehrsunternehmen.

Prägende Erfahrungen in Deutschland

Adrian Flaksbaum Moll spricht perfekt Deutsch. Das verdankt er seinen Großeltern, die noch vor dem zweiten Weltkrieg von nach Brasilien emigrierten, sowie seinem Besuch einer Deutschen Schule in São Paulo, der Stadt, in der er aufwuchs. Er kam erstmals 2012 für einen längeren Aufenthalt nach Deutschland. Damals absolvierte er während seines Studiums des Wirtschaftsingenieurwesens in Brasilien ein sechsmonatiges Praktikum bei der Firma Henkel in Düsseldorf.

„Diese Zeit war prägend für mich. Die Menschen in dieser Region, dem Rheinland, sind sehr offen und kommunikativ“, sagt Flaksbaum Moll. Was ihm besonders gut gefiel: Das Unternehmen organisierte für seine Praktikantinnen und Praktikanten Freizeitaktivitäten, damit sie sich vernetzen konnten. „Das hat mir enorm geholfen, Fuß zu fassen und es hat meine Begeisterung für Deutschland weiter angefacht“, meint der 36-Jährige.

Ein Wunsch kommt auf: Leben und Arbeiten in Deutschland

Nach seinem Praktikum kam er nach Brasilien zurück, schloss sein Studium ab und sammelte erste Berufserfahrungen als Projektmanager in der IT. Doch das Bedürfnis, ins Rheinland zurückzukehren, war immer da.

So schrieb er von São Paulo aus Bewerbungen, aber die Jobsuche blieb zunächst erfolglos. Er entschied sich trotzdem, nach Deutschland zu gehen und eine einjährige Weiterbildung im Bereich BWL in Köln zu absolvieren. Danach nahm er ein Jobangebot in der IT an und ließ die Bestrebungen, in seiner eigentlichen Branche Fuß zu fassen, erst einmal ruhen.

Weiterbildung und Coaching in Deutschland

Nun hatte Flaksbaum Moll zwar Arbeit in Deutschland gefunden, war in der IT auf Dauer aber nicht glücklich. Dazu trug auch die Arbeit im Homeoffice während der Coronapandemie bei. Nach eineinhalb Jahren kündigte er, um endlich in seinem Wunschberuf als Controller zu arbeiten. Eine solche Anstellung zu finden, war nicht leicht und er blieb acht Monate lang arbeitslos.

„Sehr geholfen hat mir in dieser Zeit ein sogenanntes Coaching für Akademikerinnen und Akademiker, das von der Agentur für Arbeit angeboten wurde“, sagt der Wirtschaftsingenieur. „Dort erhielt ich Unterstützung, um die Bewerbungsmappe auf Vordermann zu bringen. Ich dachte eigentlich, dass meine Unterlagen tipptopp wären, doch sie erfüllten das geforderte Niveau leider nicht.“ Mit Hilfe des Coachings überarbeitete er alle notwendigen Dokumente, darunter den Lebenslauf. Zusätzlich ließ er seine Diplome von der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) anerkennen.

Dennoch liefen seine Bewerbungen im Bereich Controlling weniger erfolgreich als erwartet. Letztlich entschied er sich dafür, bei einer Zeitarbeitsfirma anzufangen. Dabei schließt man einen Arbeitsvertrag mit einer Verleihfirma ab. Sie setzt ihre Mitarbeitenden befristet bei einem oder mehreren Kund:innen ein. So fand er Arbeit bei einem regionalen Verkehrsanbieter. Bereits nach vier Monaten wurde ihm dort eine Festanstellung angeboten. „Viele Leute haben mir davon abgeraten, bei einer Zeitarbeitsfirma zu unterschreiben, doch für mich war dieser Weg der richtige."

Die Deutschen und ihre Effizienz am Arbeitsplatz

Die Deutschen und ihre Effizienz am Arbeitsplatz
Die Deutschen und ihre Effizienz am Arbeitsplatz ©

Angenehme Arbeitskultur, gute Work-Life-Balance

Doch wie gefällt Flaksbaum Moll nun das eigentliche Arbeiten in Deutschland? Die Antwort lautet: sehr! „Die Work-Life-Balance wird respektiert. Niemand erwartet von mir, nach Arbeitsschluss noch E-Mails zu beantworten“, so der Controller. Was ihm ebenfalls zusagt: Es gibt 30 Urlaubstage bei freier Einteilung. „Sogar Brückentage oder halbe Urlaubstage sind möglich. So viel Flexibilität war mir neu."

Die Schattenseite: Man muss bei Gehalt und Einstiegslevel Abstriche gegenüber dem Heimatland machen. Für die Suche nach freien Stellen empfiehlt er Business-Plattformen wie LinkedIn, Xing oder Jobportale wie Monster und Stepstone.

Um neue Freunde zu finden, machte sich Flaksbaum Moll auf die Suche nach Vereinen in Köln, die seine Interessen abdecken. „Durch den Eintritt in den Schwimmverein kam ich ganz unkompliziert mit Menschen ins Gespräch, die meine Leidenschaft fürs Schwimmen teilen“, sagt er. Als homosexueller Mann schloss er sich außerdem der lokalen LGBTIQ+-Community an. Zusätzlich besucht er regelmäßig den Stammtisch des Eurovision Club Germany.

„Ich habe in Deutschland das schönere Leben“

Ob er es je bereut hat, nach Deutschland auszuwandern? „Auf keinen Fall. Ich habe hier die Freiheit und Sicherheit, die ich in São Paulo nicht hätte. Ich kann bei Tag und Nacht gefahrlos zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs sein. Meine Kommilitoninnen und Kommilitonen verdienen in der Heimat zwar deutlich mehr Geld, aber sie arbeiten auch sehr viel mehr. Ich finde, dass ich hier das schönere Leben habe“, sagt der Wahlkölner.

Weiterführende Links

Mein Weg nach Deutschland: 

Make it in Germany:

deutschland.de:

Tatsachen über Deutschland:

Kommentare

  • Leidy cuesta

    26.08.2024

    vielen dank für diese gelegenheit, ich hoffe, viel mehr zu lernen.

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