Von Irak nach Karlsruhe: Anwers Weg in die Baubranche
- 2024-10-31
- Lisa Priller-Gebhardt
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In unserer Gesprächsreihe „Arbeiten in Deutschland – Perspektiven aus aller Welt“ gewähren internationale Fachkräfte Einblicke in ihre beruflichen und privaten Erfahrungen, die sie in Deutschland sammeln. Dabei geben sie auch wertvolle Tipps und praktische Ratschläge für die persönliche Integration und das Ankommen in Deutschland.
Mitte September berichtete Anwer Dheyaa Mhmood aus Irak, wie er 2022 einen Job als Bauingenieur in Deutschland fand und wie er sich eingelebt hat. Während der Online-Veranstaltung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihm Fragen zu stellen. So konnten sie wertvolle Tipps für ihre eigenen Bewerbungen und für die Integration in Deutschland erhalten.
„Kommunikation ist der Schlüssel, sie ist der Zugang zu allem“, sagt Anwer Dheyaa Mhmood gleich zu Beginn der Online-Veranstaltung. Als Anwer Dheyaa Mhmood vor einigen Jahren den Entschluss fasste, nach Deutschland zu gehen und seinen Master im Fach Bauingenieurwesen zu machen, war ihm sofort klar, dass er dafür sehr gute Sprachkenntnisse brauchen würde, um sich in seiner neuen Heimat verständigen zu können. Deshalb begann er 2020 neben seinem Vollzeit-Job als Projektmanager im Selbststudium Deutsch zu lernen. Dafür nutzte er in erster Linie kostenlose Angebote wie die App der Deutschen Welle. „Diesen Weg kann ich wirklich empfehlen, denn so lernte ich nicht nur die Sprache, sondern erhielt auch Einblick in die deutsche Kultur“, sagt Anwer Dheyaa Mhmood. Mit viel Fleiß, Disziplin und Sprachtalent kam er innerhalb von elf Monaten auf das Sprachniveau B2, wofür er von den Teilnehmenden viel Anerkennung erhielt.
Sprache als Schlüssel: Selbststudium und kulturelle Integration
Aufgewachsen ist Anwer Dheyaa Mhmood in Irak. Dort absolvierte er an der Universität Diyala einen Bachelor of Science und arbeitete anschließend drei Jahre in Bagdad für ein irakisches Partnerunternehmen von Siemens. Durch Zufall stieß er in dieser Zeit auf das Programm , ein Projekt des Goethe-Instituts, das deutsche Unternehmen mit berufserfahrenen Akademikerinnen und Akademikern aus Irak, Jordanien und Libanon vernetzt. Das ermöglichte dem Bauingenieur die Teilnahme an verschiedenen Online-Kursen wie „Arbeiten auf Distanz“, „Interkulturelles Training“ sowie „Zeit und Selbstmanagement“.
Außerdem belegte er Kurse für und erweiterte so seine Sprachkenntnisse im beruflichen Kontext. „Die Teilnahme an diesem Programm half mir enorm, meinem Ziel, in Deutschland Fuß zu fassen, näherzukommen“, sagt der 28-Jährige. Es trug auch dazu bei, den Wunsch nach einem Masterstudium erst einmal hintenanzustellen und gleich einen Job zu suchen.
Auf die Frage, warum seine Wahl ausgerechnet auf Deutschland gefallen ist, antwortet er: „Deutschland ist im Baubereich führend, viele interessante Großprojekte werden dort umgesetzt.“
Jobsuche in Deutschland: Jobportale und Netzwerke
Über Job-Portale und LinkedIn stieß Anwer Dheyaa Mhmood bald auf spannende Stellenangebote. Die wichtigsten Informationen fand er aber letztlich über eine deutsche Facebook-Gruppe für Bauingenieure. Schnell war er im regen Austausch mit anderen und erhielt Tipps für offene Stellen. Sogar den Link zu seinem Forschungsbericht, den er auf Basis seiner Bachelorarbeit erstellt hatte, konnte er dort veröffentlichen. „Auf diesem Weg habe ich gleich drei Einladungen zu Vorstellungsgesprächen erhalten“, sagt er.
Seine erste Arbeitsstelle führte ihn nach Göttingen in ein Ingenieurbüro. Sein Arbeitgeber unterstützte ihn beim Start sehr, erinnert er sich. Über das sogenannte „beschleunigte Verfahren“ erhielt er sowohl eine Arbeitserlaubnis als auch ein Visum. Allen Bauingenieur:innen, die die Anerkennung ihrer Abschlüsse selbst organisieren müssen, rät Anwer Dheyaa Mhmood, sich an die zuständige Ingenieurkammer im jeweiligen Bundesland zu wenden oder an die .
Der Anfang war also gemacht, doch er stellte bald fest, dass er in dem Ingenieurbüro sein fundiertes Wissen zum Thema BIM, das er während seines Studiums erworben hatte, nicht würde anwenden können. BIM steht für Building Information Modelling, also Gebäudedatenmodellierung. Es wird bei größeren Bauvorhaben eingesetzt, um die Planung, den Entwurf und die Ausführung eines Projektes zu optimieren. Deshalb wechselte er nach sieben Monaten zur Deutschen Bahn nach Karlsruhe. Ein Freund, der dort bereits arbeitete, empfahl ihn für diese Stelle. Auf das Vorstellungsgespräch bereitete sich Anwer Dheyaa Mhmood akribisch vor. Er erkundigte sich umfassend über Projekte seines potenziellen Arbeitgebers und überlegte sich Antworten auf mögliche Fragen. Kurze Zeit später hatte er eine Zusage für den neuen Job als Bauingenieur – und ist heute glücklich über den Wechsel: „Ich kann wertvolle Erfahrungen sammeln und habe gute Aufstiegsmöglichkeiten“, sagt er.
Start mit dem Masterstudium in Deutschland
Mit seinem neuen Leben in Deutschland ist Anwer Dheyaa Mhmood sehr zufrieden: Beruflich hat er schnell Fuß gefasst. Im Februar 2025 erhält er seine Niederlassungserlaubnis, die ihm viele Perspektiven für ein unbeschränktes Leben in Deutschland eröffnet. Mühe bereitet es ihm dagegen, eine größere Wohnung zu finden. Seine aktuelle Einzimmerwohnung fand er über die Plattform WG-gesucht.
Neben etwas mehr Platz wünscht er sich auch einen deutschen Freundeskreis. Eine Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, bietet ihm sein Masterstudium, das der eigentliche Grund war, nach Deutschland zu kommen und mit dem er zeitnah berufsbegleitend starten möchte. Dennoch: Die Verbindung in seine Heimat Irak ist Anwer Dheyaa Mhmood wichtig. Zweimal im Jahr reist er nach Irak – seinen gesamten Jahresurlaub nimmt er sich dafür.