Künstliche Gletscher im Himalaya: Lösung für Wasserkrise?
- 2022-08-01
- Christina Pfänder
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Mit dem Klimawandel schwinden die Gletscher und damit Süßwasserreserven für die Landwirtschaft. Die Universität of Aberdeen arbeitet in den Kältewüsten des Himalayas an einer innovativen Lösung: Künstliche Eishügel versorgen die Plantagen der Bäuerinnen und Bauern mit Wasser und leisten dabei gleichzeitig einen Beitrag für die Artenvielfalt. Mit an Bord der Forschungsgruppe ist .
Die Luft ist dünn, das Panorama atemberaubend. Die höchsten Berge der Erde sind hier zu Hause, auf dem Dach der Welt, das sich auf einer Länge von rund 3.000 Kilometern zwischen dem indischen Subkontinent und Ostasien erstreckt. An den nördlichen Flanken des Himalayas herrscht dabei ein arides Gebirgsklima: Die mächtigen Achttausender bringen trockene und kalte Luft in das tibetische Hochland, und auch in der indischen Region Ladakh, die auf 3.500 Metern Höhe am Rand der tibetischen Kältewüsten liegt, kommen kaum Regenwolken an.
„Die Bäuerinnen und Bauern sind für den Anbau von Getreide oder Weidegebieten ganz auf Gletscherschmelzwasser angewiesen“, erklärt DAAD-Alumnus Dr. Shaktiman Singh, der an der School of Geosciences der Universität Aberdeen als Dozent arbeitet. „Das war schon immer eine Herausforderung und erfordert viel Erfahrung.“ Nun stellt der Klimawandel die Landwirtinnen und Landwirte vor weitere Schwierigkeiten: „Die Gletscher verlieren immer mehr an Masse“, erklärt Singh. „Damit ist seit etwa 20 Jahren nicht nur zu wenig Schmelze verfügbar, das Wasser kommt auch erst in den Sommermonaten auf den Äckern an. Das ist zu spät für das Wachstum der Pflanzen.“
Tackling a water crisis in one of the driest, coldest places on Earth
Forschungskooperation: Springbrunnen aus Eis
Die Forschungsgruppe „Kryosphäre und Klimawandel“ von der Universität Aberdeen sowie ein Team der Jawaharlal Nehru Universität in New Delhi arbeiten in Ladakh gemeinsam an einer verlässlichen Bewässerung: Künstliche Gletscher, die aufgrund ihrer konischen Form nach den buddhistischen, kegelartigen Bauwerken Tibets benannt wurden, bringen Wasser zu den Feldern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kooperieren dabei mit dem indischen Ingenieur Sonam Wangchuk, der im Jahr 2013 die Idee zu dieser Konstruktion entwickelte, und mit seinem lokalen Team.
„Im Winter fließt das Wasser ungenutzt aus den Bergen in stromabwärts gelegene Flüsse“, erklärt Singh. „Wir leiten es in Pipelines aus den Bächen in die mittleren Ebenen, wo sich auch die landwirtschaftlichen Anbauflächen befinden. Damit es bei einer Außentemperatur von minus 20 Grad nicht gefriert, verlaufen die Rohre etwas mehr als einen Meter unter der Erdoberfläche.“ Dort, wo der Eishügel entstehen soll, perforiert das Team die Schläuche – und das Wasser entweicht wie in einem Springbrunnen. Die Tropfen gefrieren dabei in der kalten Luft und bilden am Boden einen kegelartigen Hügel aus Eis. „Im Frühjahr versorgen die künstlichen Gletscher die Getreidefelder mit Wasser, also genau dann, wenn die Landwirte es am dringendsten benötigen“, sagt Singh. „Ihre Größe und Form machen sie besonders effizient und kostengünstig. Jedes Jahr können sie Millionen Liter von Wasser zur Verfügung stellen, für bereits bestehende Plantagen, aber auch für neue Pflanzen.“
Expertise von der Universität Aberdeen
Was einfach klingt, ist kompliziert und erfordert wissenschaftliche Unterstützung. „Das Wasser in den Rohren darf nicht vereisen, aber auch nur knapp über dem Gefrierpunkt liegen – das ist technisch nicht so leicht umzusetzen“, erklärt Singh. „Zudem forschen wir zum lokalen Mikroklima.“ Mithilfe der Universität Aberdeen soll es in Zukunft außerdem möglich sein, die künstlichen Gletscher in höheren Lagen zu platzieren, um das Wasser der Eishügel auf mehrere Dörfer zu verteilen. „Im Himalaya treffen verschiedene Kulturen und Religionen aufeinander, und die meisten Menschen dort hoffen von unserem Projekt zu profitieren“, sagt Singh. „Damit keine Konflikte innerhalb der Bevölkerung entstehen, müssen wir uns über den Standort der Ice Stupas immer wieder Gedanken machen.“
Trotz aller Erfolge wird der Himalaya wohl dennoch stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein. Global steigende Temperaturen bringen das ausgeklügelte Klimasystem des Gebirgsmassivs aus dem Gleichgewicht, das als sogenannte Klimascheide maßgeblich seine Umgebung beeinflusst: Ab Juni bringt der Sommermonsun viel feuchtwarme Luft und enorme Regenmengen in die tiefer gelegenen Ebenen Indiens und Bangladeschs sowie nach Nepal und Pakistan; in den nordwestlichen Regionen des Himalayas fällt hingegen kaum Niederschlag. „Die Wetterextreme und damit die Gefahr von Erdrutschen und Überschwemmungen nehmen leider zu“, sagt Singh. „Hohe Niederschläge sind mit erhöhten Schmelzen verbunden.“ Dennoch sind die künstlichen Gletscher nicht nur für die Menschen in den Hochebenen eine Bereicherung. „Im Himalaya finden sich endemische Pflanzen- und seltene Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind. Unsere Ice Stupas sind wichtig für den Erhalt der Biodiversität und das Ökosystem.“
DAAD-Stipendium legt Grundstein für Engagement
Den Grundstein für sein Engagement und seine Expertise legte Shaktiman Singh unter anderem mit einem DAAD-Stipendium: In den Jahren 2016 und 2017 forschte er an der Technischen Universität (TU) Dresden für seine Promotion zu glaziohydrologischen Prozessen. Positiv beeinflusst habe ihn dabei auch die deutsche Arbeitskultur. „Seit meiner Zeit in Dresden gehe ich strukturierter und damit effizienter vor“, erzählt er. „Zudem hat der Austausch mit meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen, aber insbesondere auch mit anderen DAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten bei mir zu einem tieferen Selbstverständnis geführt: Erst in dieser Zeit bin ich mir meiner eigenen Kultur mit ihren positiven, aber auch negativen Aspekten wirklich bewusst geworden.“ Diese Erfahrung möchte er auch an andere Studierende weitergeben: „Im Rahmen des habe ich bereits zweimal Praktikantinnen und Praktikanten bei mir aufgenommen“, sagt er. „Auch an der School of Geosciences der Universität Aberdeen sind Bewerberinnen und Bewerber herzlich willkommen.“
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Peter Schniering hat vor zwei Jahren die Future Cleantech Architects gegründet. Der Thinktank fördert und erforscht Technologien zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen in der Industrie.