Drei Fragen zu SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden
- 2020-09-29
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Wir sprachen mit Jack McQuibban, Städte-Programmkoordinator bei Zero Waste Europe, über den „Zero Waste Cities“-Ansatz und seine Arbeit für die Organisation. Jacks Rolle besteht darin, Kenntnisse aufzubauen und Werkzeuge bereitzustellen, die lokalen Gemeinschaften und Städten dabei helfen, bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in Europa eine führende Rolle zu übernehmen. In seiner Freizeit ist Jack ein leidenschaftlicher Läufer und Fahrradfahrer, der jede Gelegenheit ergreift, in die Natur hinauszukommen, und dabei keine Gelegenheit auslässt, sich unterwegs einen leckeren Kaffee mit Kuchen zu gönnen.
1014: Nachhaltige Städte und Gemeinden brauchen leistungsfähige Abfallbewirtschaftungssysteme, um einen guten Lebensstandard zu sichern und die negativen Umweltauswirkungen von Städten zu reduzieren. Wie schätzen Sie bei Zero Waste Europe die Situation in europäischen Gemeinden ein?
Jack McQuibban: In vielen Ländern und Gemeinden in Europa herrscht ein erhöhtes Bewusstsein dafür, wie wichtig Abfallreduzierung angesichts beschränkter Ressourcen und Verschmutzung ist. Manche Länder schneiden bei ihren Recyclingbemühungen besser ab als andere. Dennoch gibt es in einigen von denen, die es besser machen, aufgrund ihres hohen Einkommens- und Verbrauchsniveaus immer noch große Mengen an Restmüll. Andere Länder setzen ausgefeilte Hightech-Methoden zur Abfallverbrennung ein, um Mülldeponien zu vermeiden. Dieses Vorgehen bringt jedoch seine eigenen Umweltprobleme mit sich, da es Energie verbraucht, sich nicht mit der richtigen Nutzung von Ressourcen beschäftigt und daher nicht die gewünschten nachhaltigen Effekte zeitigt.
Bis zur Abschaffung von Müll durch die Einrichtung und Umsetzung von Systemen, die gar nicht erst Abfall produzieren, bleibt also trotz des erhöhten Bewusstseins in Europa noch viel zu tun. Bis jetzt produziert keine Kommune absolut null Restmüll; unser ambitioniertes Ziel von „Zero Waste“ beschreibt das Ende eines langen, aber lohnenswerten Prozesses, der darauf hinarbeitet, die Abfallwirtschaft leistungsfähiger zu machen, das Recyclingsystem zu verbessern und das Auftreten von Müll von vornherein zu vermeiden. Bis jetzt haben beinahe 400 europäische Städte die Herausforderung angenommen, Zero-Waste-Status zu erreichen.
1014: Mit Ihrer Nichtregierungsorganisation versetzen Sie Kommunen in die Lage, ihr Verhältnis zu Ressourcen zu überdenken. Könnten Sie schildern, auf welchen Ebenen Sie aktiv werden und welche Art von Hilfestellungen Sie anbieten?
Jack McQuibban: Zero Waste Europe hat seinen Sitz in Brüssel und arbeitet mit einem Netzwerk lokaler Nichtregierungsorganisationen zusammen, insgesamt 31 Organisationen in 24 europäischen Ländern, darunter auch Nicht-EU-Mitglieder wie Albanien und Montenegro. Wir geben ihnen Werkzeuge, Wissen und Expertise an die Hand und helfen ihnen dabei, die richtige Herangehensweise zu finden, um die Systeme in ihren Kommunen von einem Fokus auf Restmüllentsorgung hin zum Kreislauf-Ressourcenmanagement umzustellen. Es gibt hier keine Pauschallösungen, da die Umstände von Gemeinde zu Gemeinde, von Region zu Region und von Land zu Land verschieden sind.
Die lokalen Organisationen, die selbstständig agieren, werden in ihren Gemeinden mit Vorschlägen für eine leistungsfähige Abfallwirtschaft aktiv. Sie wenden sich an ihre Stadtverwaltungen, an Entscheidungsträger:innen, Führungspersönlichkeiten in der Gemeinde, Abfallprofis, Stadtplaner:innen. Sie sprechen mit der Geschäftswelt, appellieren an Haushalte, sich an die Recyclingstandards zu halten, und beziehen Schüler:innen in Schulen und Bildungseinrichtungen mit ein. Ihre Aktivitäten reichen von Lobbyarbeit über Bildung und Schulungen bis zur Gemeinschaftsbildung und dem Mainstreaming von vernünftigen und gesunden Lebensweisen. Sie organisieren Müllvermeidungsaktionen, entwickeln Wiederverwendungsstrategien und erstellen Zero-Waste-Geschäftsmodelle.
In einer idealen Welt würden wir unsere traditionellen Arten des Zusammenlebens überwinden und einen echten kulturellen Wandel hin zu nachhaltigen Städten und Gemeinden erleben, wobei ein Perspektivwechsel von effizienter Abfallbewirtschaftung zu Ressourcenmanagement im Vordergrund stünde. Stadtverwaltungen würden für die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen sorgen, Unternehmenschef:innen wären offen für das Konzept nachhaltiger Produktion und Bürger:innen und Haushalte wären stolz darauf, Gegenstände wiederzuverwenden, zu reparieren und zu recyceln. Die Kreislaufwirtschaft würde Wirklichkeit werden und zu attraktiven und aufblühenden Kommunen mit einem hohen Lebensstandard für ihre Bürger:innen führen. Die negativen Umweltauswirkungen von Städten würden verringert, um so den Planeten, unser Habitat für zukünftige Generationen, zu bewahren. Die Menschen würden im Einklang mit Ressourcen und der Natur leben und es würde ihnen dabei gutgehen und sie würden einen neuen, nachhaltigen Wohlstand genießen.