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Drei Fragen zu SDG 2 – Kein Hunger

SDG Ziel 2: Kein Hunger
Sabine Werth, Berliner Tafel
Sabine Werth, Berliner Tafel © Dietmar Gust

Wir sprachen mit Sabine Werth von der Berliner Tafel e.V. über Hunger in Berlin. Sabine ist die Gründerin und Vorsitzende der seit 1993 bestehenden gemeinnützigen Organisation, die Nahrungsmittel an Menschen in Not verteilt. Ihre Arbeit, die von über 2700 Freiwilligen unterstützt wird, ist entscheidend, denn vielen Berliner:innen aller Altersgruppen fehlt das Geld für hochwertige Lebensmittel.

1014: Stellen Sie im Hinblick auf das nachhaltige Entwicklungsziel “Kein Hunger” fest, dass Menschen in der deutschen Hauptstadt nicht genug Geld haben, um Essen für sich und ihre Familien zu kaufen?

Sabine Werth: In Berlin können viele Menschen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Das Geld, das sie zur Verfügung haben, reicht für einen menschenwürdigen Lebensstandard nicht aus. Für viele Deutsche führt diese Notsituation dazu, dass sie bei Lebensmitteln sparen. Wir beobachten, dass Singles nur sehr geringe Mengen an Essen kaufen, während Familien sehr billige minderwertige Lebensmittel kaufen. Fleisch macht schneller satt als Gemüse, und so wird das billige Schweinenackensteak häufiger gekauft als das vergleichsweise wesentlich teurere Gemüse – mit den dazugehörigen Folgen für Gesundheit, Wohlbefinden und Klima.

Insbesondere ältere Menschen haben häufig das Gefühl, beim Essenseinkauf sparen zu müssen, weil sie zusätzliche Kosten wie Arztrechnungen oder Geschenke für ihre Enkelkinder tragen. Kinder gehen häufig hungrig zur Schule und haben kein Mittagessen dabei. Das ist deshalb besonders schlimm, weil Kinder, die in Armut aufwachsen, wenig Chancen haben, ihre Lage zu verbessern. Daher ist es wichtig, dass es in Tagesstätten und Schulen kostenloses Essen gibt.

1014: Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei der Berliner Tafel für Sie aus?

Sabine Werth: Gegen 8 Uhr morgens fahren unsere 16 Lieferwagen zu lokalen Märkten und Geschäften, die ihre unverkauft gebliebenen Lebensmittel verschenken – Obst, Gemüse und andere verderbliche Waren. Sie bringen ihre Ladung in unser Lager, wo wir die Lebensmittel sortieren und neu packen. Gegen Mittag fangen wir damit an, diese Waren zu verteilen. Manche werden zu den 300 sozialen Einrichtungen gefahren, die Frühstück, Mittagessen und Abendessen zubereiten oder zusammen mit ihren Klient:innen kochen. Und manche werden von Vertreter:innen von Verteilungszentren in unserem Lager abgeholt. Über diese sozialen Einrichtungen und 45 Verteilungszentren erreichen wir in Berlin jeden Monat etwa 125.000 Menschen.

Als Beitrag zur Verbesserung unserer Gesellschaft haben wir vor 10 Jahren zudem ein Programm namens KIMBA entwickelt. Hier vermitteln wir Kindern und jungen Menschen Ernährungswissen und die Zubereitung kleiner Mahlzeiten. Wir bieten dieses Programm für alle Kinder an, unabhängig davon, in welchen finanziellen Umständen sie aufwachsen.  

Eines unserer Ziele ist der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Wir möchten das Bewusstsein dafür schärfen, was wir essen und wie wir unseren Konsum verbessern können. Für unsere Arbeit greifen wir auf insgesamt etwa 2.700 Freiwillige zurück, und wir finanzieren uns ausschließlich durch Spenden und Mitgliedergebühren. Wir bewerben uns bewusst nicht um öffentliche Gelder, um unsere Unabhängigkeit zu wahren und anderen Organisationen nichts wegzunehmen. Daher wissen wir die zahlreichen kleinen Spenden ebenso zu schätzen wie die größeren Summen, die wir von Zeit zu Zeit erhalten.

1014: Was würden Sie sich in einer idealen Welt für ihre Gemeinschaft und anderswo in Bezug auf das Erreichen des UN-Ziels der Ernährungssicherung wünschen?

Sabine Werth: Es gibt genug Essen für alle auf der Welt. Es ist eine Frage der Umverteilung und der Verteilungsgerechtigkeit ebenso wie der Unterstützung lokaler Märkte. Für mich ist nicht akzeptabel, dass reiche Länder ihren Reichtum auf Kosten armer Länder noch vergrößern. Wenn europäische Gesetze beispielsweise erlauben, dass in Europa Fleisch, Obst, Gemüse usw. im Überfluss produziert werden, dann sollten diese nicht nach Afrika verschifft und verkauft werden, wo sie die lokalen Märkte zerstören. Ich denke außerdem, dass wir im Hinblick auf unsere Essgewohnheiten bewusster mit unseren Ressourcen umgehen sollten. Für alle, die in Wohlstand leben, sollte bewusster Verzicht die neue Lebenshaltung sein! Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir ab und zu über unsere Konsumgewohnheiten nachdenken würden!

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