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Drei Fragen zu SDG 6 – Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

Agenda 2030
SDG Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäre Einrichtungen
Franziska Herren
Franziska Herren © privat

Wir sprachen mit Franziska Herren über sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen in der Schweiz. 2015 gründete sie die „Initiative für sauberes Trinkwasser“, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Schweizer Agrarsystem 2021 durch eine Volksabstimmung zu verändern. Im Alltagsleben betreibt Franziska Herren ein Fitnessstudio. Ihre Beobachtungen, wie Lebensmittel zu Lasten von Nutzieren und Umwelt produziert werden, brachte die zweifache Mutter dazu, für den Umweltschutz aktiv zu werden.

1014: Halten Sie es in der Schweiz, einem Land, das weithin mit frischer Luft und klarem Bergwasser assoziiert wird, für nötig, zu handeln, damit die Menschen in Ihrer Gemeinschaft wirklich sauberes Wasser genießen können?

Franziska Herren: Auch wenn die Schweiz im Allgemeinen eine Fülle von frischem und sauberem Wasser genießt, führt das chemische Abwasser eines zu intensiven Landwirtschaftssystems zunehmend zu Problemen. Derzeit wird von 8 Millionen Schweizer:innen eine Million mit Trinkwasser versorgt, das nicht den Wasserqualitätsstandards entspricht.

Große Viehbestände, ermöglicht durch massive Futtermittel-Importe, führen zu einer übermäßigen Entsorgung von Gülle. Das wiederum führt zu überdüngten, sauerstoffarmen Seen, die dann das Grundwasser mit Nitrat belasten, während Rekordemissionen von gasförmigem Ammoniak die Artenvielfalt untergraben. Zudem ist der Pestizideinsatz sehr hoch, sodass Flüsse und Bäche in ländlichen Regionen mit einer Vielzahl von Pestiziden belastet sind. Insbesondere das Grundwasser, die Quelle von 80% unseres Trinkwassers, ist mit Pestiziden verunreinigt.

Die Politik hat es seit über 20 Jahren versäumt, eine Lösung für diese Probleme vorzulegen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Bürger:innen aktiv werden.

1014: Worauf zielt Ihre Initiative ab? Wie gewinnen Sie Unterstützung für die geforderten Änderungen? Welche Hürden stellen sich Ihnen dabei?

Franziska Herren: Das Schweizer Rechtssystem gibt seinen Bürger:innen einzigartige Rechte. Jede/r Wähler/in kann eine sogenannte Volksinitiative initiieren, die zu einer Verfassungsänderung führen kann. In einer zutiefst schweizerischen Tradition verlangt unsere „Initiative für sauberes Trinkwasser“ kein Verbot nicht-ökologischer Landwirtschaft, sondern fordert stattdessen eine grundlegende Reform der öffentlichen Subventionen hin zu Praktiken, die mit sauberem Wasser und einer gesunden Umwelt im Einklang stehen. Wir fordern, dass Subventionen auf Höfe beschränkt werden, die pestizidfreie Methoden anwenden, deren Tierbestand vom Ackerland selbst ernährt werden kann (d.h. ohne Futtermittel-Importe) und die vom prophylaktischen Einsatz von Antibiotika absehen. Darüber hinaus sollen alle öffentlichen Gelder für landwirtschaftliche Forschung und Bildung für nachhaltige agroökologische Methoden reserviert werden.

Was 2015 mit gerade mal den für die Gründung unserer Initiative erforderlichen sieben Stimmen und ohne jede Gelder, juristische und wissenschaftliche Expertise oder Unterstützung durch politische Parteien oder Nichtregierungsorganisationen anfing, nahm langsam Fahrt auf, sodass wir 2018 in der Lage waren, die für ein Weitermachen erforderlichen 100.000 Unterschriften vorzulegen. Ein echter Wendepunkt war, dass den Menschen bewusst wurde, dass sie zwar Bioprodukte kauften, gleichzeitig aber jedes Jahr 3 Milliarden Schweizer Franken (3,18 Milliarden US-Dollar) ihrer Steuern in intensive und zerstörerische Anbaumethoden gepumpt wurden. Mittlerweile hat unsere Initiative ein breites Bewusstsein für das Wasserproblem geschaffen. Wir sind zuversichtlich, dass die Schweizer Bürger:innen unseren Aufruf 2021 verabschieden werden.

Der Widerstand der mächtigen Bauern-, Pestizid- und Fleischlobbys ist erbittert. Neben der Mobilisierung von öffentlicher Unterstützung für unsere Initiative durch Pressearbeit und Social-Media-Aktionen entlarven und erklären wir daher fortlaufend die Rolle der Lebensmittelproduktion in der Verschmutzung unserer Gewässer und der Verringerung der Artenvielfalt. Wir erhalten mittlerweile Unterstützung von Wissenschaftler:innen und Politiker:innen, müssen aber auch Versuche abwehren, unsere Initiative zu diskreditieren.

1014: Was würden Sie sich in einer idealen Welt für Ihre Gemeinschaft und anderswo in Bezug auf die Erreichung des UN-Ziels „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“ wünschen?

Franziska Herren: Nahrungsproduktion ohne Wasserverschmutzung ist weder ein neues Konzept noch schwer zu erreichen, wie Tausende von Bäuer:innen seit Jahrzehnten demonstrieren. Allerdings müssen über eine Vermeidung des Einsatzes von chemischen Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden hinaus moderne Agrarmethoden als Ganzes wieder mehr in Einklang mit natürlichen Prozessen kommen. Dazu gehört die Erhaltung von Böden, der Respekt vor Tieren und die Nutzung natürlicher Prozesse und Zyklen, anstatt sie zu bekämpfen. Die Schweiz hat in den vergangenen Jahrzehnten bei der Vermeidung von Haushalts- und Industrieverschmutzung bemerkenswerte Fortschritte gemacht und investiert Milliarden in die Wiederherstellung der Flussökologie. Der Schweizer Agrarsektor dagegen steckt in einem Teufelskreis von Intensivierung und technologischen Schnelllösungen fest, bei denen die Bäuer:innen immer mehr die Verbindung zu genau den natürlichen Systemen kappen, auf die sie angewiesen sind. Unser Ziel ist es, unsere Gewässer durch die Umleitung von Subventionen in eine gesündere, grünere Landwirtschaft zu retten, jedoch nicht auf Kosten unserer Bäuer:innen.

In der Schweiz liegen die Quellgebiete der großen europäischen Flüsse, des Rheins, der Rhone und der Donau, die das Trinkwasser für mehrere zehn Millionen europäische Bürger:innen liefern. Die Europäische Union debattiert ebenfalls über eine Reform ihres Agrarsystems. Sie blickt auf uns hier in der Schweiz, wo die Bürger:innen die Möglichkeit haben werden, eine tiefgreifende agroökologische Reform herbeizuführen, indem sie die Initiative für sauberes Trinkwasser verabschieden. Das würde ein starkes Signal nach Brüssel senden, einem Weg zu folgen, den sich die meisten Menschen wünschen: Lebensmittelproduktion im Einklang mit sauberem Wasser.

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