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Der Nutzen von Big Social Data

Visualisierung von Big Data und Netzwerkkommunikation
© Getty Images/MF3d

Wie lassen sich Daten sozialer Plattformen für die sozialwissenschaftliche Forschung nutzen, welche Chancen und Risiken sind damit verbunden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines am 19. Juni mit dem KI-Experten Ingmar Weber, Inhaber einer Humboldt-Professur.

Der öffentlich zugängliche Datenfundus von Facebook und anderen Plattformen birgt enormes Potenzial für die sozialwissenschaftliche Forschung. „Indem ich nicht-traditionelle Datenquellen verwende, kann ich gesellschaftliche Phänomene wie zum Beispiel internationale Migration, oder besser messen und verstehen“, sagte der KI-Experte Ingmar Weber zum Auftakt seines Lab Talks auf dem Alumniportal Deutschland „Was uns Werbedaten über die Gesellschaft verraten“.

Pionierarbeit im Bereich Computational Social Science

Weber ist ein Pionier des interdisziplinären Forschungsfelds „“, das Informatik und Sozialwissenschaften verbindet. Am Beispiel der Facebook-Schnittstelle für Werbetreibende demonstrierte er den teilnehmenden Alumni, wie vielfältig die Informationen sind, die sich anhand der anonymisierten, aggregierten Daten kostenfrei abrufen lassen – vom Frauenanteil der Facebook-User:innen in einer bestimmten Region über deren Altersstruktur bis zum Anteil der Personen mit höherem Bildungsabschluss. Abfragen lässt sich auch der Anteil der Nutzerinnen und Nutzer der Betriebssysteme IOS beziehungsweise Android. Weil IOS auf tendenziell teureren Endgeräten läuft, erlaubt diese Information Rückschlüsse auf die sozioökonomische Struktur in Stadtvierteln, Regionen oder ganzen Ländern. Weber zeigte das anschaulich am Beispiel von Manhattan mit einem fast 90-prozentigen Anteil von IOS-User:innen – wohingegen in der Bronx vorwiegend Android genutzt wird.

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Forschung zur internationalen Migration

Ingmar Weber leitet das 2023 eröffnete „“ an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, zuvor forschte er am Qatar Computing Research Institute in Doha. Wegweisend sind unter anderem seine Arbeiten zur internationalen Migration: So untersuchte er mit Hilfe von Facebook-Daten den „Venezuela Exodus“ von 2018, als die Inflationsrate in dem lateinamerikanischen Land auf über 130.000 Prozent stieg. Millionen Menschen flüchteten damals aus Venezuela in die Nachbarstaaten, aber auch nach Spanien und in die USA. Beim Lab Talk zeigte Weber, wie sich in verschiedenen Regionen Kolumbiens die Zahl der aktiven Facebook-Nutzerinnen und Nutzer veränderte, die früher in Venezuela gelebt hatten.

Daten über Migrationsströme werden natürlich auch von offiziellen Stellen erhoben, sind jedoch häufig lückenhaft und nicht so aktuell wie Daten aus sozialen Medien. Andererseits repräsentieren die Nutzerinnen und Nutzer einer bestimmten Plattform natürlich nicht die Gesamtbevölkerung. In seinen Modellen führt Weber traditionelle und nicht-traditionelle Datenquellen zusammen, sucht gezielt nach deren jeweiligen Schwächen und nutzt statistische Werkzeuge, um zu möglichst plausiblen Ergebnissen zu kommen. Seine Berechnungen gelten als verlässlicher als die offiziellen Statistiken. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen () nutzte Webers Ergebnisse, um die humanitäre Hilfe für Geflüchtete aus Venezuela zielgenauer auszurichten, das UN-Kinderhilfswerk , um regionale Facebook-Kampagnen gegen Fremdenfeindlichkeit zu entwickeln.

Lösungen für gesellschaftliche Probleme durch Computational Social Science

Ziel von Computational Social Science sei es, in Zusammenarbeit mit humanitären und entwicklungspolitischen Organisationen Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu entwickeln, betonte der Forscher im Lab Talk. Oft ermöglichen die neuartigen Datenquellen und Methoden es überhaupt erst, das Ausmaß eines Problems zu ermessen. So gibt es für etwa 50 Prozent aller Länder keine offiziellen Daten über den „Digital Gender Gap, also die Kluft zwischen den Geschlechtern beim Zugang zu und der Nutzung von digitalen Technologien. Die Auswertung von Plattformdaten ermöglichte konkrete Schätzungen: Im Irak haben demnach zweimal so viele, in Niger sogar dreimal so viele Männer wie Frauen Zugang zum Internet. Solche Berechnungen schaffen eine Grundlage dafür, politische zu entwickeln.

Risiken und Herausforderungen der Datennutzung

Trotz der vielen Vorteile der Auswertung von „Big Social Data“ gebe es natürlich auch Nachteile und Risiken, sagte Weber zum Abschluss des Lab Talks. Nicht nur seien die Datenstichproben nicht repräsentativ – auch Verhaltensmuster der User:innen änderten sich im Laufe der Zeit. Darüber hinaus seien die Plattformen eine Blackbox: Forschende hätten keinerlei Einsicht in die Kriterien, nach denen Facebook, Weibo oder Snapchat ihre Nutzerinnen und Nutzer einteilen. Weber wies auch auf die Gefahr hin, dass Ergebnisse missbraucht werden können – beispielsweise von Regierungen, um Minderheiten zu verfolgen.

Ergänzung traditioneller Methoden durch Societal Computing

Bei den teilnehmenden Alumni stieß der Lab Talk auf viel Interesse. In der Diskussion kam unter anderem die Frage auf, ob Societal Computing herkömmliche soziologische Analysen ersetzen könne. „Ganz sicher nicht!“, antwortete Ingmar Weber – und verwies darauf, dass schon in der Antike Volkszählungen durchgeführt wurden. Quantitative und qualitative Sozialforschung ergänzten einander und zahlenmäßige Erhebungen zur Migration ersetzten keine Gespräche mit Migrantinnen und Migranten über deren Erfahrungen: Forschung brauche Methodenvielfalt.

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