Diversität fördert Exzellenz
- 2023-05-16
- Johanna Seibert
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Akademisches Potenzial in der Hochschulbildung neu denken
Die Veranstaltung Diversität fördert Exzellenz: Akademisches Potenzial in der Hochschulbildung neu denken wurde vom British Council, Fulbright Deutschland und der am 2. März 2023 organisiert. Expertinnen und Experten aus Hochschulen und Förderorganisationen beteiligten sich an einer kritischen Diskussion über die fruchtbare, aber auch komplexe Beziehung zwischen Diversität und Exzellenz im Hochschulbereich. Der Schwerpunkt lag dabei auf britischen, US-amerikanischen und deutschen Perspektiven. Man war sich einig, dass Diversität – einschließlich neuer Ideen und verschiedener Perspektiven – eine Voraussetzung für die wissenschaftliche Innovation ist. Diese Prämisse wirft jedoch neue Fragen auf: Wie betrachten die Förderorganisationen und -Einrichtungen im Hochschulbereich die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Diversität und Exzellenz? Welche Maßnahmen werden beispielsweise durchgeführt, um Wissenschaftler:innen mit unterschiedlichem Hintergrund anzuziehen und wie fördern sie in ihren Organisationen ein Klima, das Diversität begünstigt? Wie betrachten sie in diesem Zusammenhang Fragen des gleichberechtigten Zugangs, des wissenschaftlichen Potenzials und der Exzellenz? Wo sehen sie die Chancen, Herausforderungen und Schwierigkeiten, wenn es darum geht, Diversität und Exzellenz in der Hochschulbildung zu messen? Am wichtigsten: Wie erleben Wissenschaftler:innen mit unterschiedlichem Hintergrund, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen, das wissenschaftliche System?
Kritische Reflektion persönlicher Erfahrungen
In zwei getrennten, aber miteinander verbundenen Podiumssitzungen wurden diese und ähnliche Fragen in Gesprächen mit Expert:innen aus dem Fachbereich und Wissenschaftler:innen am Anfang ihrer Laufbahn behandelt. In der ersten Podiumsdiskussion kamen Vertreterinnen und Vertreter von Hochschulen und Förderorganisationen aus den drei Gastgeberländern zusammen, um Beispiele für bewährte Verfahren in ihren Einrichtungen und ihre Vorstellungen von Diversität und Exzellenz als zwei Teile derselben Gleichung auszutauschen. In der zweiten Podiumsdiskussion ermutigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Anfang ihrer Laufbahn das Publikum, den Schwerpunkt zu verlagern, und sie reflektierten kritisch über ihre Erfahrungen, z. B. als Wissenschaftler:innen der ersten Generation im System. Durch diese Diskussion wurden neue fruchtbare Beiträge gewonnen, wie sich die wissenschaftlichen Einrichtungen ändern müssen, um integrativer zu werden, und so Studierende und Wissenschaftler:innen mit verschiedenen Biographien und Hintergründen in die Lage zu versetzen, ihr wissenschaftliches Potenzial voll auszuschöpfen.
Im Folgenden werden die Erkenntnisse aus den Keynotes und der Podiumsdiskussion zu Clustern zusammengefasst, die sich auf die politischen Rahmenbedingungen, die Handlungsmöglichkeiten der Förderorganisationen sowie deren Handlungsfelder konzentrieren.
Politischer Rahmen
Globale Förder- und Netzwerkorganisationen wie die Alexander von Humboldt-Stiftung tragen zur Umsetzung der des Auswärtigen Amtes (FFP) bei, insbesondere durch innovative Programme wie der und dem , welche die Klügsten und Besten aus den Gemeinschaften marginalisierter und bedrohter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen. FFP bedeutet nicht nur eine Stärkung der Ressourcen, der Vertretung und der Rechte von Frauen, sondern betrachtet auch marginalisierte Gruppen im weiteren Sinne. Bei der FFP wird zwischen gendertransformativen und gendersensitiven Maßnahmen unterschieden, wobei in den FFP-Projekten für die jeweiligen Maßnahmen Zielvorgaben festgelegt werden.
Handlungsmöglichkeiten der Förderorganisationen
Grundsatzrede von Frances Wood, UKRI:
Der Fall der (UKRI, die nationale Finanzierungsstelle des Vereinigten Königreichs) zeigt konkret, wie eine Finanzierungsorganisation Richtlinien und den politischen Willen in die Praxis umsetzt und dabei berücksichtigt, dass Integration eine strategische Arbeit darstellt. Diese Arbeit benötigt Zeit und kann eine externe Beratung erfordern. Zudem sollten entsprechende Daten erhoben werden, um den Fortschritt zu überwachen und sich selbst und andere zur Rechenschaft zu ziehen.
UKRI arbeitet daher mit konkreten Zielen, die im Rahmen der Strategie festgelegt werden.
Die Ziele beruhen auf der Prämisse, dass Inklusion Führungsstärke erfordert und der Wandel von der Spitze einer Institution ausgeht.
Handlungsfelder
Die beiden anschließenden Podiumsdiskussionen kombinieren individuelle Erfahrungen mit institutionellen Perspektiven und ergründen Ansatzpunkte für institutionelle Veränderungen. Ausgehend von dem Leitgedanken, dass Universitäten und Förderorganisationen sowohl die Fähigkeit als auch die Handlungsmacht besitzen, sich an einer sich wandelnden wissenschaftlichen Kultur zu beteiligen, haben die Podiumsmitglieder Prof. Catherina Becker (Humboldt Professor, Group Lead Center for Regenerative Therapies, TU Dresden), Prof. Rajani Naidoo (VP Community & Inclusion, Universität Bath), Prof. Tunde Adeleke (Prof. Director African and African American Studies Program, Iowa State University, derzeit Fulbright Professor in Ungarn), Julie Larran (PhD-Kandidat, Freie Universität Berlin), Dr. Victoria Sakti (MPI zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften, Göttingen) und Ahngeli Shivam (PhD-Kandidat, Universität Mainz) die nachstehend zusammengefassten vier wichtigsten Aktionsbereiche identifiziert.
1. Programmgestaltung
- Die Herausforderung besteht darin, die Bedingungen, unter denen jede Forschung erfolgt, sorgfältig zu analysieren und dann zu ändern.
- Flexibilität ist hierbei unerlässlich – bei den Forschungsaufenthalten und bei der Finanzierung.
2. Rekrutierung
- Quoten können ein Schritt in die richtige Richtung sein, tragen aber nicht unbedingt zu einem integrativeren Klima in der Wissenschaft bei.
- Es wird eine Rekrutierungsstrategie benötigt, zu der auch Leitlinien für Auswahlkommissionen und transparente Auswahlkriterien gehören.
- Die Komplexität der Menschen und ihre individuellen, mehrdimensionalen Erfahrungen müssen anerkannt und im Rekrutierungsprozess berücksichtigt werden.
- Verborgene Stärken müssen im Rekrutierungsprozess besser erkannt werden und Definitionen von Exzellenz neu bewertet werden.
- Der Zugang ist wichtig, aber die Bindung an die Hochschule ist vermutlich noch wichtiger.
3. Exzellenz
- Der Exzellenzdiskurs und die damit verbundenen unterschiedlichen Wettbewerbsrahmen (bspw. Rankings) wirken teilweise kontraproduktiv und widersprechen den Bemühungen um Diversität und Integration.
- Normen für Exzellenz wirken sich insbesondere auf Frauen und marginalisierte Gruppen aus, da diese Gruppen höhere Standards erfüllen müssen.
- Exzellenznormen wirken als Ausschlussmechanismen. Weitere ausschließende Mechanismen können sein: implizites Wissen im System, Gatekeeping von Informationen, eine Kultur der Nichtzugehörigkeit (toleriert vs. willkommen sein) sowie Sprachbarrieren.
- Die Hochschulbildung, Wissenssysteme und bestehende Vorstellungen von Exzellenz müssen entkolonialisiert werden.
4. Mentoring
- Mentoring kann ein wirksames Instrument im Kontext der Hochschulbildung sein..
- Mentoring und gemeinnützige Arbeit im weiteren Sinne müssen anerkannt und gewürdigt werden, z. B. bei Beförderungen und bei der Einstellung von Personal.
- Professor:innen und Vorgesetzte müssen zu guten Mentor:innen ausgebildet werden.
- Das System muss das Vertrauen des wissenschaftlichen Nachwuchs wiederherstellen.