Frauen für Frieden
- 2023-03-06
- Gunda Achterhold
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Mehr als zwanzig Jahre nach Verabschiedung der UN-Resolution „Frauen, Frieden und Sicherheit“ sind Frauen in Friedensprozessen nach wie vor massiv unterrepräsentiert. In der öffentlichen Wahrnehmung findet jedoch ein Umdenken statt.
Kurz nach dem Überfall russischer Truppen auf die Ukraine ging in den sozialen Medien ein Video viral. Es zeigte eine Ukrainerin, die sich den Soldaten entgegenstellte und sie als Besatzer und Faschisten beschimpfte. Sie riet ihnen, ihre Taschen mit Sonnenblumenkernen zu füllen. „Damit wenigstens Sonnenblumen wachsen, wenn ihr alle hier gefallen seid.“
Frauen nehmen Einfluss: Beispiele aus der Ukraine und Iran
In Kriegen und Konflikten wurden Frauen bislang vor allem als Opfer wahrgenommen. In aktuellen Nachrichten aus der Ukraine und Iran sind nun jedoch häufig Frauen zu sehen, die aktiv Einfluss nehmen. Im Kampf gegen das Mullah-Regime waren es junge Frauen, die ihre Kopftücher verbrannten, sich die langen Haare vom Kopf schnitten und durch die Straßen tanzten. „Ihr Widerstand ist ein Akt der Selbstbestimmung, sie kämpfen für ihre Freiheitsrechte“, sagt Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel, Geschäftsführende Direktorin am Zentrum für Konfliktforschung der Universität Marburg. Die Politikwissenschaftlerin forscht unter anderem zu sexualisierter Gewalt und Opferzuschreibungen in Kriegen und Zeiten des Umbruchs. „Mit ihren mutigen Aktionen haben die Iranerinnen eine unglaubliche Dynamik in Gang gesetzt und viele unterschiedliche Akteure gewonnen. Ohne die Frauen hätte diese Mobilisierung der Massen nicht stattgefunden.“
Ohne Frauen kein Frieden - die Agenda "Frauen, Frieden, Sicherheit"
Friedensforscherin Susanne Buckley-Zistel zur Veränderung in der Berichterstattung
Noch nie waren Frauen in der Kriegsberichterstattung so präsent wie in diesen Tagen. Schon die ersten Bilder aus der Ukraine zeigten dynamische junge Frauen in Suppenküchen oder als Soldatin an der Waffe. Verändert sich ihr Verhalten oder werden Frauen in der Berichterstattung einfach stärker in den Blick genommen? „Schwer zu sagen, auf jeden Fall formen Medien die Wahrnehmung der Wirklichkeit“, sagt Friedensforscherin Buckley-Zistel. Hier beobachtet sie eine deutliche Verschiebung. Noch zu Beginn des syrischen Bürgerkrieges seien Frauen vor allem als Leidende in zerstörten Städten oder auf der Flucht gezeigt worden, „als Pieta im Staub“. Das habe sich grundlegend geändert. „Frauen werden in den Medien zunehmend als Handelnde in einer Vielfalt von Rollen sichtbar.“ Dazu trage auch eine Politik bei, die Geschlechtergerechtigkeit als wesentliche Voraussetzung für Frieden ansehe. „Eine der zentralen Ideen einer feministischen Außenpolitik ist es, Frauen aus dieser Opferrolle herauszuholen“, so Buckley-Zistel. Auf ihren Reisen durch die Welt nutze Außenministerin Annalena Baerbock jede Gelegenheit, um sich mit Frauengruppen zu treffen. „Sie zeigt Frauen in Krisengebieten als selbstbewusste Akteurinnen und schafft öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Anliegen.“
Frauen werden also sichtbarer, auch als Demonstrantinnen oder Aktivistinnen in Sudan, Kolumbien oder Belarus. Dennoch ist ihre Teilhabe an sicherheitspolitischen Entscheidungsprozessen nach wie vor begrenzt. Dabei zeigen Untersuchungen sehr deutlich, wie wichtig eine stärkere Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen wäre. Die Wahrscheinlichkeit, dass Friedensvereinbarungen mindestens 15 Jahre lang Bestand haben, liegt nach Angaben von UN Women um 35 Prozent höher, wenn Frauen in den Prozess eingebunden sind. Eine angemessene Beteiligung an Friedensprozessen gewährleiste zudem, dass die vielfältigen Interessen von Frauen in den Verhandlungen umfassend berücksichtigt werden. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: An großen Friedensprozessen zwischen 1992 und 2019 waren Frauen laut UN Women nur zu 13 Prozent überhaupt in Verhandlungen eingebunden, lediglich in sechs Prozent der Fälle unterzeichneten sie Friedensverträge.
Geschlechtergerechtigkeit als Voraussetzung für Frieden
Länder mit einem hohen Maß an Gleichstellung der Geschlechter sind offenbar auch weniger anfällig für gewalttätigen Extremismus. Darauf verweisen Kristina Lunz und Nina Bernarding, Leiterinnen des Centre for Feminist Foreign Policy in Deutschland, in ihrer Einführung zu einem Dossier der Heinrich Böll Stiftung, das Aspekte einer feministischen Außenpolitik in den Blick nimmt. In einer auf die Beseitigung von Ungleichheiten ausgerichteten Außenpolitik sehen die Autorinnen die vielversprechendste Antwort auf weltweit wachsenden Populismus und Autoritarismus. „Wenn wir wirklich eine nachhaltige globale Sicherheitspolitik anstreben, ist eine feministische Außenpolitik ein Muss.“