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Kunst im öffentlichen Raum: Partizipation und Nachhaltigkeit

© Sven Brandelius

Nachhaltige Stadtentwicklung hat nicht nur ökologische Aspekte, sondern auch soziale. Mit partizipativen Interventionen im öffentlichen Raum hilft die Künstlerin Carly Schmitt unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in der Stadt und auf dem Land, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu formulieren.

Nachhaltige Stadtentwicklung? Die meisten denken da an ökologische Projekte wie neue Fahrradwege und Grünflächen oder an mehr Angebote im öffentlichen Nahverkehr, damit weniger Autos fahren und die Luftverschmutzung abnimmt. hat aber auch soziale Aspekte. Denn eine Stadt soll für alle Menschen lebenswert sein, egal, wie viel sie verdienen, welchen kulturellen Hintergrund sie haben, oder ob sie körperlich eingeschränkt sind.

Kunst zum Mitmachen

Doch wie können Bürgerinnen und Bürger ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern? Carly Schmitt hat dazu viele Ideen. Einige hat die Künstlerin und Alumna des Bundeskanzler-Stipendiums der Alexander von Humboldt-Stiftung in den vergangenen Jahren umgesetzt. „Wenn man möglichst viele Bevölkerungsgruppen einbeziehen möchte, muss man raus auf die Straße gehen, zu den Leuten”, sagt sie.

Botschaften für ein besseres Miteinander

2018 unterstützte Carly Schmitt mit einer ihrer künstlerischen Interventionen die süddeutsche Stadt Ulm, ein neues Leitbild als internationale Stadt zu entwerfen. An verschiedenen Orten in Ulm forderte sie Passantinnen und Passanten auf, aufzuschreiben, was sie in der Stadt gern verändern würden. Die Botschaften wurden in Form kleiner Anzeigen auf Stellwänden ausgestellt. Bürgerinnen und Bürger konnten so aufeinander reagieren und miteinander ins Gespräch kommen. Dadurch entstanden auch ganz konkrete Aktionen. Als Carly Schmitt sich etwa vor einer Moschee postierte, äußerten viele der Moscheebesucherinnen und -besucher, dass sie sich mehr kulturellen Austausch in Ulm wünschen. Die Gemeinde griff das direkt auf und öffnete ihr Haus für Führungen und Veranstaltungen.

Von Minnesota nach Weimar

Carly Schmitt stammt aus Minnesota, kam als Studentin nach Deutschland und studierte in Weimar Kunst im öffentlichen Raum. Heute lebt die 40-Jährige mit ihrem deutschen Mann, den sie während des Studiums kennenlernte, und den beiden gemeinsamen Kindern in Meschede im Sauerland. Von hier aus plant sie partizipative Kunstprojekte in Europa und den USA. „Öffentliche Räume durch Kunstwerke einfach zu verschönern, hat mich nie interessiert”, sagt sie. Spannender finde sie, gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern Zukunftsvisionen für Städte oder ländliche Regionen zu entwickeln.

Ein Kino mit Vergangenheit

In der griechischen Stadt Kardamyli ging es 2010 darum, ein neues Nutzungskonzept für ein verlassenes Kino zu finden. „Für die meisten war das Gebäude einfach ein Schandfleck, mit dem sie sich nicht weiter beschäftigten.” Carly Schmitt richtete einen kleinen Shop in dem alten Haus ein. Darin präsentierte sie Fundstücke aus dem Lager des Kinos. „Viele Besucher erkannten Dinge wieder und merkten so, dass das Kino Teil ihres Lebens war und ist”, erzählt Carly Schmitt begeistert. „Und dann entstanden auch Ideen, was man aus diesem Ort machen könnte.” Heute befindet sich in dem Gebäude ein Lebensmittelgeschäft.

Kultur zum Anfassen

Besonders wichtig ist Carly Schmitt, Personen und Gruppen einzubeziehen, deren Bedürfnisse häufig vernachlässigt werden. So gestaltete sie in Nürnberg mit sehbehinderten Schülerinnen und Schülern ein Landschaftsbild, auf dem sich Strukturen ertasten lassen. Gemeinsam stellten sie das Bild einem örtlichen Museum vor. „Den Mitarbeitenden dort war bis dahin gar nicht in den Sinn gekommen, so etwas in ihre Ausstellungen zu integrieren. Sie hatten zwar Führungen für Blinde, darin wurden Kunstgegenstände jedoch nur beschrieben.”

Ein Stadtplan der besonderen Art

Aktuell beschäftigt sich Carly Schmitt vor allem mit ländlichen Regionen. Denn auch dort, wo Menschen weniger anonym zusammenleben als in Großstädten, sei es nicht selbstverständlich, dass bei der Stadtentwicklung die Interessen aller Gruppen berücksichtigt werden, sagt sie. Zugezogene, häufig Menschen mit Migrationshintergrund, würden häufig übersehen, wenn es um die Zukunftsplanung gehe. In Meschede hat Carly Schmitt mit Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund unter anderem einen Stadtplan erstellt, der für sie wichtige Orte markiert und herausstellt – das Schwimmbad etwa, den Bikepark oder auch die Bushaltestelle. „Er zeigt die Stadt aus ihrem Blickwinkel.“ Demnächst wollen die jungen Leute außerdem ihre Träume von einer lebenswerten Stadt auf T-Shirts drucken lassen. Die Stadtplanerinnen und -planer in Meschede bekommen also dank Carly Schmitt viel Stoff für eine sozial nachhaltige Entwicklung ihres Ortes.

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