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Die Macht der Wissenschaftsdiplomatie

SDG Ziel 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
SDG Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele
Lächelnder männlicher Wissenschaftler winkt, während er einen Videoanruf über einen Laptop am Schreibtisch im Labor tätigt
© Getty Images/izusek

In Zeiten zunehmender weltweiter Konflikte und multipler globaler Krisen kommt Wissenschaftsdiplomatie immer mehr Bedeutung zu. Zwei Community-Mitglieder berichten von ihren Erfahrungen.

Systemrivalitäten, globale Wettbewerbe und Kriege: Nicht erst seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellt sich die Frage, wie in einer multipolaren Welt Dialog und vertrauensvolle internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft ermöglicht werden kann – und welche Instrumente sich eignen, um mithilfe der Wissenschaft nationale Werte und Interessen ins Ausland zu tragen sowie Beziehungen zu anderen Nationen zu verbessern.

Drei Dimensionen der Wissenschaftsdiplomatie

Wissenschaftsdiplomatie öffnet dabei Türen zu anderen Nationen und umfasst laut der britischen Wissenschaftsakademie drei Dimensionen. Während „Science in Diplomacy“ auf die Förderung außenpolitischer Strategien durch wissenschaftliche Beratung zielt, werden im Fall der „Diplomacy for Science“ internationale Wissenschaftskooperationen durch die Außenpolitik begünstigt. Die dritte Form, „Science for Diplomacy“, setzt auf wissenschaftliche Kooperationen zur Intensivierung bi- oder multilateraler Beziehungen.

Beispiel aus der Praxis: Hindukusch-Himalaya-Region

Deutschland-Alumna Dr. Dhanasree Jayaram, Assistenzprofessorin am Fachbereich für Geopolitik und Internationale Beziehungen an der Manipal Academy of Higher Education (MAHE) in Indien, kennt die verschiedenen Dimensionen aus ihrem Hochschulalltag. „Wissenschaft und Forschung können sich von politischen Gegebenheiten und internationalen Konflikten nie ganz lösen“, sagt sie. Das werde beispielshaft an der Hindukusch-Himalaya-Region deutlich: Zwischen Indien, Pakistan und China existierten Konflikte um territoriale Grenzen und Ressourcen, die sich negativ auf die länderübergreifende Zusammenarbeit auswirkten. „Angesichts des Klimawandels, der sich mit schmelzenden Gletschern, schwindenden Arten und einer wachsenden Trockenheit bemerkbar macht, wäre aber gerade für diese Region ein weitreichender wissenschaftlicher Austausch absolut notwendig“, erläutert sie. „Der Hindukusch-Himalaya ist der Ursprung von zehn großen Strömen, die acht Länder unseres asiatischen Kontinents mit Wasser versorgen.“

Globale Aufgaben erfordern wissenschaftliche Zusammenarbeit

Auch andere globale Aufgaben wie die oder die machen ein effektives gemeinsames Handeln erforderlich – und damit verschiedene Formen der Wissenschaftsdiplomatie. „Ich sehe darin ein großes Potential“, sagt Jayaram. „Wissenschaftlicher Austausch, internationale Formate und institutionelle Partnerschaften können dabei auch zu herausfordernden Partnern Brücken bauen.“ Auch geopolitische Spannungen ließen sich mithilfe der Wissenschaftsdiplomatie mildern, ihre Wirkung auf internationale politische Prozesse werde jedoch zum Teil heruntergespielt und marginalisiert. „Dabei wirkt Wissenschaftsdiplomatie auch Menschenrechtsverletzungen entgegen“, erläutert sie. „Austauschorganisationen wie die oder der ermöglichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, denen in ihren Heimatländern das Recht auf Bildung verweigert wird, ihre Arbeit in einem anderen Land fortzusetzen. Das schafft wichtige Synergien.“

Herausforderungen der asymmetrischen Wissenschaftskooperation

Eine Schwierigkeit bestehe allerdings in der Asymmetrie des Wissenschaftssystems: beispielsweise zwischen dem Globalen Süden und dem Norden; der Elite und marginalisierten oder indigenen Gruppen. Mithilfe gleichberechtigter Kooperationen könne es allerdings gelingen, in den Institutionen, Organisationen und Netzwerken zu verankern: „Im Austausch mit anderen Forschenden kommen unterschiedliche Perspektiven zusammen, die unsere eigenen Erfahrungen und Standpunkte erweitern“, sagt Jayaram. „Meine eigenen Auslandsaufenthalte in der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland haben mich als Wissenschaftlerin wachsen lassen.“

Fulbright: Wissenschaftsdiplomatie in Aktion

Durch den wissenschaftlichen Dialog andere Standpunkte und Erfahrungen kennenlernen: Darauf setzt auch Daniel H. Wager, Leiter des Bereichs Network Development von Fulbright Germany. „Unsere Organisation ist 1952 aus einem Regierungsabkommen zwischen den USA und Deutschland hervorgegangen und fördert seitdem mit Stipendienprogrammen den transatlantischen akademischen Austausch“, erklärt er. „Hinsichtlich wissenschaftsdiplomatischer Formate zeigt mir meine berufliche Erfahrung, dass dafür immer die Perspektive entscheidend ist.“ Deutschland verstehe sich beispielsweise als Teil Europas, die USA gingen eher bilaterale als mulilaterale Beziehungen ein. „Zudem macht es einen Unterschied, ob ich als staatlicher Akteur, Forschungseinrichtung oder Individuum auf diesem Gebiet aktiv bin.“

Alumni als Botschafter:innen des wissenschaftlichen Austauschs

Die Fulbright-Mission, den Ausbau des gegenseitigen und internationalen Verständnisses, bringt die Organisation insbesondere auf individueller Ebene voran: „Weltweit haben wir etwa 400.000 Alumnae und Alumni, die sich als citizen diplomats, also als eigenständig agierende Wissenschaftsdiplomatinnen und -diplomaten verstehen“, sagt Wagner. „Dabei bringen sie ihre je eigene Perspektive ein und tragen zum positiven Wandel ihrer Gemeinschaften und der Gesellschaft bei.“ Auch nach Ende des Stipendiums unterstützt Fulbright seine ehemaligen Absolventinnen und Absolventen mit verschiedenen Angeboten, Veranstaltungen und Netzwerkaktivitäten. Damit gewinnen sie die Möglichkeit, auch schwierige, aber gesellschaftlich relevante Themen aufzuarbeiten und öffentlich zu diskutieren. Ein Alumnus präsentierte beispielsweise im Mai 2024 im Rahmen einer Fulbright-Veranstaltung in der Barenboim-Said Akademie sein jüngstes Buch () , das sich mit den Morden des Nationalsozialistische Untergrund (NSU), einer neonazistischen terroristischen Vereinigung in Deutschland, auseinandersetzt.

„Darüber hinaus arbeiten wir mit weiteren Fulbright-Kommissionen und Communities in fast 50 Ländern zusammen“, erklärt Wagner. Mit den israelischen Kolleginnen und Kollegen habe er beispielsweise ein Projekt auf die Beine gestellt, das sich mit dem Thema Wissenstransfer zwischen Ländern und Regionen auseinandersetzt; mit der polnischen Kommission fand eine Veranstaltung zum Thema politischer Humor in Zeiten des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs statt. „Dabei kommen die deutsch-amerikanische und die deutsch-polnische Community an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder zu einem Diskurs zusammen.“ Bei alldem werde deutlich: Wissenschaftsdiplomatie ist ein essenzieller Bestandteil internationaler Beziehungen. „Länderübergreifende wissenschaftliche Zusammenarbeit kann dazu führen, dass Wissen transparent und für jeden Menschen zugänglich wird“, sagt Daniel H. Wagner. „Das wirkt unter anderem Desinformationskampagnen von nicht-demokratischen Staaten entgegen – ein wichtiger Prozess, der positiv auf unsere eigenen Gesellschaften zurückwirkt.“

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